| # taz.de -- Umgangston in Behörden: Die Corona-Freundlichkeit | |
| > In Zeiten der Pandemie sind Behördenmitarbeiter*innen auf einmal | |
| > viel freundlicher zu mir. Zumindest so lange, bis sie meinen Trick | |
| > durchschauen. | |
| Bild: An diesem Arm steckt Dank Corona ein freundlicher Mensch – zumindest vi… | |
| Große Katastrophen schweißen die Menschen tatsächlich zusammen. Seitdem es | |
| mit der Coronapandemie losging, sind die Leute viel höflicher, achtsamer | |
| und rücksichtsvoller geworden. Ja, selbst bei der Ausländerbehörde! | |
| Als ich letzte Woche bei Frau Kottzmeyer-Göbelsberg war, hat meine | |
| zuständige Sachbearbeiterin mich entgegen ihren Gepflogenheiten keine | |
| Sekunde warten lassen und mich auch nicht mit tausend Fragen bombardiert, | |
| sondern war total entgegenkommend. Vorher hatte ich allerdings kurz | |
| erwähnt, dass meine gesamte Familie an Corona erkrankt sei und das Bett | |
| hüten müsse und ich deshalb dringend nach Hause muss, was nicht unbedingt | |
| ganz der Wahrheit entsprach. | |
| Danach hat es genau 13 Sekunden gedauert, bis ich alle Papiere | |
| unterschrieben und gestempelt ausgehändigt bekam und höflich verabschiedet | |
| wurde. | |
| „Herr Engin, hauen Sie bloß ab! Lassen Sie sich in meinem Büro bis 2030 | |
| nicht mehr blicken!“ | |
| Diese neuen, superfreundlichen Umgangsformen in den Behörden sind natürlich | |
| die Gelegenheit, all meine Streitigkeiten schnell aus der Welt zu schaffen. | |
| Jetzt oder nie! | |
| Selbst die sehr heikle Sache beim Finanzamt wickele ich binnen 27 Sekunden | |
| zu meiner Zufriedenheit ab, die mich seit 27 Monaten unglaublich quälte und | |
| auf eine Gefängnisstrafe nicht unter zwei Jahren hinauslief, wie mir in | |
| jedem Schreiben gedroht wurde. | |
| Dem Knast leichtfüßig von der Schippe gesprungen, gehe ich danach strahlend | |
| zur Verkehrsbehörde. | |
| „Oh, Herr Engin, was für eine Ehre! Eigentlich war Ihr Termin vor 72 | |
| Tagen“, empfängt mich der Beamte, ohne sich vorher nach meinem Befinden zu | |
| erkundigen. | |
| „Herr Nöllemeier, hoffentlich dauert es nicht wieder so lange“, grüße ich | |
| zurück. „Denn meine gesamte Familie muss leider coronakrank das Bett | |
| hüten!“ | |
| „Herr Engin, so wie es aussieht, werde ich wohl den Staatsanwalt | |
| einschalten müssen.“ | |
| „Apropos, Staatsanwalt, sogar meine Schwiegermutter hat dieses verdammte | |
| Coronavirus“, unterbreche ich ihn. | |
| „Sie haben vier Mahnungen bekommen, aber Sie haben die völlig ignoriert. | |
| Die letzte war vor fünf Wochen!“ | |
| „Apropos, fünf Wochen, vor genau fünf Wochen ging es mit Corona bei uns | |
| los. Und ich mittendrin.“ | |
| „Die Mahngebühren, die Sie inzwischen bezahlen müssen, sind viel höher als | |
| der eigentliche Betrag.“ Der Kerl ist so was von schwer von Begriff! Ich | |
| muss konkreter werden. | |
| „Herr Nöllemeier, wenn bei uns alle Corona haben, dann habe ich es ja auch. | |
| Nicht, dass ich Sie anstecke!“ | |
| „Herr Engin, machen Sie sich keine Sorgen. Ich hatte bereits Corona.“ | |
| „Oh! Nicht, dass Sie mich anstecken! Darf ich nächstes Jahr wiederkommen?“ | |
| 22 Sep 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Osman Engin | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Alles getürkt | |
| Ausländerbehörde | |
| Behörden | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Quarantäne | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |