# taz.de -- Streikerfolg der Krankenhausbewegung: Erste Anzeichen der Besserung | |
> Nach fast fünf Monaten Tarifkonflikt einigen sich Gewerkschaft und | |
> Charité-Klinikleitung. Bei Vivantes geht der Streik unterdessen weiter. | |
Bild: Man merke sich: Rebellion kann Erfolge bringen | |
BERLIN taz | Es war ein echter Kraftakt der Charité-Pfleger:innen. Seit | |
fast 5 Monaten kämpfen sie nun für bessere Arbeitsbedingungen, seit 30 | |
Tagen befinden sie sich im unbefristeten Arbeitskampf. Nun aber gelang eine | |
Einigung: | |
Um 6 Uhr am Donnerstagmorgen – nach 21 Stunden Verhandlung – unterschrieben | |
Vertreter:innen der Klinikleitung sowie der Gewerkschaft Verdi ein | |
Eckpunktepapier, das die Grundlage für einen Tarifvertrag namens | |
„Gesundheitsfachberufe Charité“ bilden soll. Dieser soll in den nächsten | |
fünf Wochen ausgearbeitet werden und am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Der | |
Streik an der Charité wird damit ausgesetzt – offiziell beendet wird er | |
dann mit Abschluss des Tarifvertrags. | |
Sichtlich von den Verhandlungen ermattet treten am Donnerstagvormittag | |
Vertreter:innen der Charité und der Gewerkschaft Verdi gemeinsam vor | |
die Presse. Als „Lichtblick für die Beschäftigten, dass es besser wird“, | |
bezeichnete die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Susanne | |
Feldkötter das Eckpunktepapier. Der kommende Tarifvertrag werde „besser als | |
alle bisherigen“ Verträge im Gesundheitssektor, so Intensivpflegerin Dana | |
Lützkendorf. | |
Auch seitens der Charité lobte man das Verhandlungsergebnis. Martin Kreis, | |
Charité-Vorstandsmitglied, sagte, es habe sich ein Kompromiss gefunden, für | |
den sich „beide Seiten stark bewegt“ hätten. Zwar bedeute die gefundene | |
Lösung „große Anstrengung“ für die Charité, letztlich entstünden aber … | |
Wettbewerbsvorteile, ergänzte Carla Eysel, Charité-Vorständin. Man sei nun | |
in der Lage, eine gute Pflege und gute Arbeitsbedingungen anzubieten – das | |
ziehe Personal und Patient:innen an. | |
## Durchbruch bald auch bei Vivantes? | |
Damit steigt der Druck auf den kommunalen Krankenhauskonzern Vivantes, | |
dessen Beschäftigte sich ebenfalls im Arbeitskampf befinden. Neben den | |
Pflegenden streiken hier auch die Beschäftigten der | |
Vivantes-Tochterunternehmen für eine bessere Bezahlung. Da dort trotz | |
identischer Arbeit nur Teile der Belegschaft nach Tarifvertrag bezahlt | |
werden, entstehen laut Klinikbewegung Lohnunterschiede von bis zu 900 | |
Euro. | |
Aus Gewerkschaftskreisen hatte es zuletzt geheißen, in den Verhandlungen | |
mit Vivantes bewege sich nichts; die Arbeitgeberseite sei offenbar nicht | |
willens, eine Einigung zu erzielen. Diese wiederum erklärt seit Monaten, | |
die Forderungen der Gewerkschaft seien nicht umsetzbar. Nach der Einigung | |
mit der Charité dürfte dieser Standpunkt allerdings schwer zu verteidigen | |
sein. | |
Tatsächlich hieß es am Donnerstag dann auch aus der Bewegung, der Ton in | |
den Vivantes-Verhandlungen habe sich plötzlich geändert; statt zu | |
blockieren bewege sich Vivantes nun merklich. Offenbar ist der Wille, eine | |
Einigung zu erzielen, nun da. | |
## 700 neue Pflegestellen | |
Bei der Charité haben sich Gewerkschaft und Klinikleitung auf einen | |
Mindestschlüssel geeinigt, der für jeden Klinikbereich festlegt, für wie | |
viele Patient:innen eine Pflegekraft maximal zuständig sein darf. Auf | |
den Intensivstationen etwa sind das nun 1,8 rechnerische Patient:innen | |
pro Pflegekraft, für die Kreißsäle wurde eine 1:1-Betreuung festgelegt. | |
Bisher habe eine Intensivpflegerin regulär 2, bei Unterbesetzungen aber | |
auch mal 3 oder 4 Patient:innen gleichzeitig versorgen müssen. Hebammen | |
aus der Klinikbewegung hatten berichtet, teilweise für drei Geburten | |
gleichzeitig zuständig zu sein. | |
Zudem soll es ein Belastungsausgleichssystem geben. Dieses soll nicht nur | |
bei Unterbesetzungen greifen, sondern auch, wenn besonders viele | |
Leasing-Kräfte – welche mit den genauen Abläufen eines Krankenhauses häufig | |
nicht ausreichend vertraut sind – eingesetzt werden, oder wenn es während | |
einer Schicht zu gewaltsamen Übergriffen auf Pflegende kommt. | |
Fünf Schichten unter besonderer Belastung ergeben einen Belastungspunkt im | |
Wert von einer regulären Schicht, der in Freizeit oder Geld eingetauscht | |
werden kann. Im Jahr 2022 sollen maximal fünf Punkte ausgeglichen werden | |
können, 2023 dann 10 Punkte und 2024 maximal 15 Punkte. | |
Um den Ansprüchen des Eckpunktepapiers gerecht zu werden, müsse die Charité | |
nun 700 bis 750 zusätzliche Pflegekräfte einstellen, sagt Kreis. Er lehnte | |
es ab, bis dahin die Kapazitäten der Charité an das vorhandene Personal | |
durch Bettensperrungen anzupassen. | |
„Wir werden alles daransetzen, das zu vermeiden“, sagte er. Gut möglich, | |
dass sich die Charité die Unterbesetzungen über das Ausgleichssystem | |
erkaufen muss, bis tatsächlich genügend Personal vorhanden ist. Für die | |
neuen Pflegestellen entstehen dagegen keine Mehrkosten. Wegen des | |
Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes lassen sich zusätzliche Pflegestellen über | |
die Krankenkassen gegenfinanzieren. | |
8 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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