# taz.de -- Legendärer Sumo-Großmeister hört auf: Sogar größer als Federer | |
> Niemand hat Japans Nationalsport so dominiert wie Sumo-Großmeister | |
> Hakuho. Doch aus gesundheitlichen Gründen muss der gebürtige Mongole | |
> zurücktreten. | |
Bild: Turniersieg in Osaka: Hakuho (l.) gewinnt 2020 auch das Duell gegen Aoiya… | |
45 Kaiserpokale, 1.187 Siege, 16 Turniere ohne eine Niederlage, 14 Jahre | |
Großmeister – Rekorde von einem anderen Stern. Im Vergleich zu Hakuho | |
verblassen selbst Sportlegenden wie Roger Federer im Tennis oder Jack | |
Nicklaus im Golf. Nun hat der wohl größte Champion in Japans | |
traditionsreichem Nationalsport Sumo seinen Rücktritt erklärt. Das rechte | |
Knie macht nicht mehr mit – der 155 Kilogramm schwere und 1,93 Meter große | |
Hakuho ist immerhin schon 36 Jahre alt. | |
Nach einer Knieoperation im März überraschte der Yokozuna (Großmeister) | |
noch mit einem Comeback im Juli und schickte seinen größten Herausforderer | |
Terunofuji im Finalkampf in den Sand. Aber vom September-Turnier wurde sein | |
Ringerstall aufgrund vieler Corona-Infektionen ausgeschlossen. „Ich habe | |
meine Rolle mehr als erfüllt“, begründete der Ausnahmesportler den | |
Rücktritt. „Wie ein Yokozuna kann ich nicht mehr weiterringen.“ Darauf | |
posteten zahllose Fans Tränen- und Trauer-Emojis auf Twitter. | |
Noch vor zwanzig Jahren stellte sich der 15-jährige Davaajargal Mönkhbatyn | |
aus Ulan-Bator in der Mongolei vergeblich bei allen Sumoställen vor. Er | |
stammte aus einer Ringerfamilie, sein Vater gewann eine Silbermedaille bei | |
den Olympischen Spielen 1968. Aber mit nur 63 Kilogramm war der Teenager | |
viel zu dünn für einen Sumotori. Kurz vor dem Rückflug in seine Heimat nahm | |
ihn auf Empfehlung eines anderen Mongolen der Miyagino-Stall doch noch auf. | |
Dank der kohlenhydratreichen Sumonahrung legte er mächtig an Statur zu. | |
Sechs Jahre später begann seine Siegesserie. Die Schriftzeichen seines | |
Kampfnamens bedeuten „Weißer Ping“, ein mythischer Riesenschwan aus China. | |
Die 46 Ställe, die Sumo unterrichten, dürfen nur jeweils einen Ausländer | |
aufnehmen. Trotz der Beschränkung dominieren seit der Jahrtausendwende | |
Mongolen das Sumo. Sie haben oft schon das mongolische Bokeringen | |
praktiziert, hungern aufgrund ihrer meist ärmlichen Herkunft nach Erfolg | |
und sind psychisch stabil. Sonst würden sie das harte Training, die Sprach- | |
und Kulturbarrieren und die strikte Hierarchie in den Ställen kaum | |
ertragen. | |
## Hohe japanische moralische Maßstäbe | |
Die meisten Japaner kommen mit dem Siegeszug der Mongolen klar, solange die | |
Großmeister genug „Würde“ zeigen. Daran scheiterte der dominante, aber | |
flegelhafte Yokozuna Asashoryu. Er musste seine Karriere im Februar 2010 | |
beenden, weil er sich betrunken gerauft hatte. | |
Danach trat Hakuho aus dem Schatten von Asashoryu heraus und erfüllte | |
zunächst die hohen moralischen Maßstäbe, die die Japaner an ihre Sumo-Idole | |
anlegen. Zum Beispiel trat er nach dem verheerenden Tsunami von 2011 in den | |
Katastrophengebieten auf, um die Opfer zu unterstützen. Mit dem Hakuho-Cup | |
versucht er junge Japaner als Nachwuchsringer zu gewinnen. | |
Seine sportlichen Leistungen versöhnten die Nation mit den Wettskandalen | |
und den Misshandlungen junger Ringer, [1][die den Ruf des Sumos vor zehn | |
Jahren beschädigt hatten.] | |
Doch im Zenit seiner sportlichen Laufbahn konnte Hakuho seine Gefühle nicht | |
mehr perfekt kontrollieren. Beim Kampf schlug er manche Gegner ins Gesicht | |
oder schob sie erneut weg, nachdem sie verloren hatten. Auch seine | |
(erlaubte) Taktik, einem Angreifer auszuweichen und ihn ins Leere stürmen | |
zu lassen, erregte die Gemüter. „Ein Yokozuna muss sich wie ein Vorbild | |
benehmen“, meinte der oberste Sumoberater Hironori Yano. Hakuho wird in | |
seiner Wahlheimat bleiben. Seit 2019 besitzt er die japanische | |
Staatsangehörigkeit, mit der er künftig einen eigenen Sumostall leiten | |
könnte. | |
1 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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