# taz.de -- Ringen: Fetter Auftritt | |
> Bei den internationalen Berlin-Basho Sumo Open in Mitte wird aus dem | |
> Wettkampf ein Spektakel. Das Publikum begafft die gewichtigen Athlethen | |
> wie Zirkusattraktionen, die traditionellen Rituale der japanischen | |
> Sportart spielen nur eine kleine Rolle. | |
Bild: Stärke durch Gewicht - Ringer bei den internationalen Berlin-Basho Sumo … | |
Zwei Bierkästen hätten zwischen den Beinen von Byambajav Ulambayar | |
problemlos Platz gefunden. So breitbeinig stand der 145 Kilogramm schwere | |
Mongole da. Und er lächelte unentwegt. Denn gerade hatte der amtierende | |
Amateurweltmeister das Finale der Berlin-Basho Sumo Open gewonnen. Der | |
Schweiß perlte ihm von der Stirn, während sich immer wieder neue Zuschauer | |
meldeten, die mit ihm zusammen fotografiert werden wollten - darunter einer | |
der Ehrengäste in der Franz-Mett Sporthalle in Mitte, der | |
Botschaftsvertreter der Mongolei. | |
An diesem Samstagabend wurden im Publikum des öfteren die Fotohandys | |
gezückt. Die massigen Kämpfer sind ein beliebtes Motiv. Insbesondere der | |
Ungar Dezsö Libor, mit 216 Kilo gewichtigster Teilnehmer. Wie | |
Zirkusattraktionen wurden die Dicken begafft und bestaunt, die | |
traditionsgemäß nur mit einer Art Lendenschurz bekleidet kämpften. "Alles | |
was dann übrig bleibt: Männer aus Fleisch und Blut", heißt es in einem dem | |
Sumosport gewidmeten Song, der vom Band abgespielt wurde. | |
Die Sympathien der 200 Zuschauer gehörten aber dem Außenseiter Pavel Babuk, | |
der nicht mal zwei Zentner auf die Waage bringt. Im Vergleich zu seinen | |
Konkurrenten wirkte der Russe wie ein Streichholz unter Baumstämmen. | |
Dennoch hatte er sich unter die besten acht vorgekämpft. Gegen den Ungarn | |
half ihm aber auch seine gute Technik nicht mehr. Libor brauchte zwar eine | |
Weile, bis er ihn packen konnte, doch dann schob er ihn mühelos aus dem | |
Ring. | |
Meist entschieden sich die Kämpfe auf dem 40 Zentimeter hohen Podest | |
zwischen zwei Wimpernschlägen. Drei, vier Sekunden dauerte es in der Regel, | |
dann wurde entweder einer der Kombattanten aus dem Kreis mit viereinhalb | |
Metern Durchmesser geschubst oder einer berührte mit einem anderen | |
Körperteil als den Füßen den Boden. Und schon stand der Sieger fest. | |
Länger als der Kampf dauerten die anfänglichen Rituale: das langsame | |
Zusammenführen der Hände über dem Kopf, das Zeigen der Handinnenflächen, | |
die angedeuteten Verbeugungen vor dem Gegner und das längere Fixieren des | |
Gegenübers in der Startaufstellung. Der Sumosport ist in Japan aus einem | |
religiösen Zeremoniell entstanden und wird als nationales Kulturgut | |
betrachtet. Deshalb war es für die Veranstalter nicht schwer, die | |
japanische Botschaft für die Schirmherrschaft zu gewinnen, obwohl kein | |
Japaner antrat. Der Botschaftsvertreter erklärte vorab: "Der Abend ist eine | |
gute Gelegenheit, die traditionelle Kultur Japans zu erleben." | |
Trotz der Rituale und zweier verkleideter Samuraikämpfer zeigte die | |
Veranstaltung aber vielmehr, wie sehr dem Sumosport außerhalb Japans seine | |
strenge Form genommen wird. Während die Ehrengäste unten auf Klappstühlen | |
saßen, wurde die VIP-Zone auf der Empore fast ausschließlich von | |
Mitgliedern eines Motorradclubs bevölkert. Die Männer in ihren schwarzen | |
Lederkluften hatten die 50 Euro teuren Tickets gekauft, um ihren | |
Präsidenten, der das Turnier mitorganisierte, zu unterstützen. | |
Der Wettkampf selbst wurde zur Showbühne für fettleibige Sportler. | |
Alexander Czerwinski, der einzige Deutsche in der Finalrunde, findet die | |
eher circensische Wahrnehmung seiner Sportart aber nicht weiter anstößig. | |
Er selbst hat daran fleißig mitgewirkt. Vor einigen Jahren trat er in | |
Fernsehsendungen wie "Darüber lacht die Welt" und beim Blödelbarden Stefan | |
Raab auf. Sumoringen diente der allgemeinen Belustigung. "Ich bin lieber | |
der knuffige Teddy als Rambo mit Messern in den Zähnen", sagt Czerwinski. | |
Er hat seinem Sport zur Bekanntheit in Deutschland verholfen. Nicht allen | |
im Verband hat diese Art der Vermarktung gefallen. | |
Bundestrainer Jörg Brümmer hat ganz andere Sorgen: "Wenn sich nichts | |
ändert, werden wir bald in der Versenkung verschwinden." Er hat dabei vor | |
allem den Generationenwechsel vor Augen. Seine beiden besten Athleten | |
werden bald aufhören. Czerwinski ist bereits 39 Jahre alt. Und Thorsten | |
Scheibler, der Amateurweltmeister von 2005, hat angekündigt, dass er seine | |
Karriere ausklingen lässt. Am Samstag musste der Berliner frühzeitig wegen | |
einer Knieverletzung aufgeben. Thorsten Gerlach, der Präsident des Vereins | |
"Kampfsportschule im Klostergarten", bedauerte dies sehr. Das Turnier habe | |
man auch organisiert, um sich bei Scheibler zu bedanken. Mit seinen | |
Erfolgen habe er den Namen des Vereins in die Welt getragen. | |
13 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
Johannes Kopp | |
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