# taz.de -- Die Folgen der Pandemie: „Die Reflexion fängt jetzt erst an“ | |
> 25 Berliner Fotografinnen werden ungemütlich und werfen einen weiblichen | |
> Blick auf die Pandemie. Es geht um Gewalt, Alleinerziehende, | |
> Systemrelevanz. | |
Bild: Eine Arbeit aus der Ausstellung „In Waves“ | |
taz: Das Projekt „In waves #womenincovid“ zeigt, wie die Pandemie das Leben | |
von Frauen verändert. Beginnt jetzt die Verarbeitung der Krise? | |
Sophie Kirchner: Ich glaube, die Menschen, über die wir in der Ausstellung | |
erzählen, hatten noch gar nicht die Luft dazu, zu reflektieren, was da | |
eigentlich passiert ist. Das fängt jetzt erst an. Viele sind noch in einer | |
Schockstarre, deshalb ist unsere Arbeit ein Versuch, das emotional | |
einzufangen. | |
Wie ist das Projekt entstanden? | |
Miriam Zlobinski: Nach den Eindrücken des ersten Lockdowns. Wir haben | |
gesagt: Wir wollen Frauen sichtbar machen, durch die Kameras von Frauen. | |
„In waves“ sind 24 visuelle Standpunkte von Fotografinnen über Themen, die | |
mit der weiblichen Lebenswelt zusammenhängen und die sich durch die | |
Pandemie verschlimmert haben. | |
Worin liegt die Dringlichkeit der Ausstellung? | |
Kirchner: Deutschland möchte sich als gleichberechtigtes Land sehen. Wir | |
stellen mit der Arbeit die Frage: Ist das so? Wir werden auch ein bisschen | |
ungemütlicher und machen eine Ansage: Hier gibt es Themen, die wir bitte | |
vor lauter Impfthematik nicht vergessen wollen. Ein paar Sachen haben sich | |
sogar zurückentwickelt, in Zeiten, von denen wir gedacht haben, dass wir | |
als Gesellschaft schon weiter wären. | |
Welche Themen sind das? | |
Kirchner: Die Pandemie legt offen, dass es nach wie vor Gewalt gegen Frauen | |
gibt. Die Kontaktbeschränkungen führten dazu, dass die Zahlen, was | |
häusliche Gewalt gegenüber Frauen angeht, hochgingen. Und natürlich stecken | |
Frauen zurück, was das Einkommen angeht, weil sie in der Betreuung der | |
Kinder Kompromisse machen. In meinem Projekt „Alleinerziehende Mütter“ sind | |
vorrangig Frauen alleinerziehend, das ist auch ein Problem. | |
Zlobinski: Aber auch die jungen Ärztinnen von Maidje Meergans, die alle | |
drei während der Pandemie ihr erstes Berufsjahr haben, sind ein zentrales | |
Thema. Genauso die Fabrikarbeiterinnen von Monika Keiler, wo wir den | |
Begriff „systemrelevant“ haben und fragen: Was steckt eigentlich hinter | |
dieser Kategorie? | |
Viele von den prekären Situationen, in denen sich die Frauen auf den Fotos | |
befinden, waren doch vor der Pandemie schon genauso prekär. | |
Zlobinski: Sie haben sich jetzt wie durch ein Brennglas verschärft und sie | |
werden auch nicht von alleine wieder gehen. | |
Kirchner: Wir wollen Themen, die hinter Vorhängen vonstatten gehen, auf die | |
Straße holen. Deshalb auch ganz bewusst die Ausstellung draußen und in vier | |
Sprachen, damit da so gut wie keine Barrieren sind. | |
Deshalb auch das Medium der Fotografie? | |
Zlobinski: Fotografie ist ein Medium der Emotion, das wir alle kennen. Wir | |
können die Themen völlig anders angehen und vermitteln, als ein Text das | |
kann. Und mit der Ausstellung auf der Straße haben wir einen Ort, der | |
überhaupt nichts Elitäres hat. Da kann jeder sich das anschauen, zwischen | |
Sage Club, Biergarten und Heinrich-Heine-Straße. | |
29 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Cristina Plett | |
## TAGS | |
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