Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ende der Coronamaßnahmen: Freiheitseuphorie in Dänemark
> Nach 584 Tagen enden in Dänemark alle Restriktionen. Das Land hat eine
> der höchsten Impfquoten Europas. Doch wie hat es das geschafft?
Bild: Party ohne Maske – in Dänemark neuerdings möglich
„Alles normal, einige Schlägereien, aber nicht mehr als vor der
Coronaepidemie, business as usual.“ So fasste ein Sprecher der Kopenhagener
Polizei am Montag das erste Wochenende nach der vollständigen Aufhebung der
Corona-Restriktionen in Dänemark zusammen.
Dabei hatten es die DänInnen gleich richtig krachen lassen. 50.000 drängten
sich am Samstagabend im „Parken“, der Nationalarena in Kopenhagen, zum
Konzert der Band „The Minds of 99“. Von „vollkommener Ekstase“ berichtet
die Tageszeitung „Politiken“, von einem „historischem Abend“, bei dem
„geweint, gebrüllt, gesungen und getanzt wurde“: „Eines der euphorischst…
dänischen Konzerte überhaupt.“
Das Boulevardblatt Ekstra Bladet spürte „Magie in der Luft“ und berichtete
von „absoluter Topstimmung“: „Es ist doch klar, dass die Menschen das
vermisst haben.“ Es sei „schon merkwürdig und gleichzeitig wunderbar“,
schildert auch eine Restaurantbesucherin am Freitag ihre Gefühle einem
TV-Reporter: „Über Nacht leben wir so, als ob es die Pandemie nie gegeben
hätte.“
584 Tage hatte Dänemark mit Coronarestriktionen gelebt. Seit Juni waren die
nach und nach aufgehoben worden, und am vergangenen Freitag verschwanden
auch die letzten, die bis dahin noch gegolten hatten, für Nachtklubs und
Großveranstaltungen: Keine Maskenpflicht, kein Coronapass mehr.
## Selbstlob des Gesundheitsministers
Covid-19 wird von der Gesundheitsbehörde nicht mehr als
„gesellschaftskritische“, sondern nur noch als „allgemeingefährliche
Krankheit“ eingestuft. Was den dänischen Behörden bei Bedarf weiterhin
lokale Einschränkungen erlaubt und bedeutet, dass auch [1][die
Beschränkungen bei der Einreise] aus dem Ausland weiterhin gelten.
„Als eines der ersten Länder können wir dieses neue Kapitel aufschlagen“,
freute sich Gesundheitsminister Magnus Heunicke: „Wir haben Corona unter
Kontrolle, nun können wir die Früchte unserer harten Arbeit ernten.“
Dänemarks Vorteil sei gewesen, „dass wir eine kleine, relativ homogene
Gesellschaft sind, in der eine Botschaft, die alle annehmen können,
leichter zu vermitteln war“ und „die Menschen trotz Entbehrungen und
Meinungsverschiedenheiten getan haben, was zu tun war“.
Eine entscheidende Rolle habe die Impfbereitschaft gespielt. Wenn es
Dänemark an etwas gefehlt habe, dann nicht an Impfwilligen, sondern
zeitweise an Impfstoff.
Laut der offiziellen Zahlen des „Europäischen Zentrums für die Prävention
und die Kontrolle von Krankheiten“ [2][(ECDC) in Stockholm] sind 87,4
Prozent der Erwachsenen in Dänemark vollständig geimpft. Bei den über
12-Jährigen sind es 83,2 Prozent. In Europa liegt man damit an dritter
Stelle knapp hinter Island und Irland. Die entsprechenden ECDC-Zahlen für
Deutschland: 73,4 bzw. 69,4 Prozent.
## Des Dänen persönliche Digi-Postbox
Dänemark hatte von Beginn an Tempo beim Impfen gemacht. Gleich nach Erhalt
der ersten Impfdosen am 2. Weihnachtsfeiertag 2020 hatte man sich in der EU
an die Spitze der geimpften Personen relativ zur Bevölkerungszahl gesetzt
und diese Position seither auch beinahe durchweg gehalten.
Wobei die nicht nur im Gesundheitswesen seit Jahren eingespielte digitale
Infrastruktur des Landes eine große Hilfe war. Über den schnellen
Kontaktweg der persönlichen digitalen Postbox, die alle DänInnen haben,
erhielt man die Mitteilung, wann man mit der Impfung an der Reihe war, und
konnte auf diesem Wege dann gleich den genauen Termin und Impfort buchen.
Umfragen zeigen, dass die hohe Impfbereitschaft viel mit dem Vertrauen der
DänInnen in ihre Gesundheitsbehörde zusammenhängt. Nach ersten Meldungen
über ernsthafte Nebenwirkungen beim AstraZeneca-Vakzin wurde das sofort aus
dem Impfprogramm genommen. Kurze Zeit später folgte Johnson & Johnson.
Während in anderen Ländern diese Nebenwirkungen eher heruntergespielt
wurden, setzte sich die Gesundheitsbehörde auch gegen die Kritik der
Regierung, die eine Verzögerung beim Impffortschritt befürchtete, mit der
Einschätzung durch, dass die Vorteile einer Impfung das Risiko möglicher
Gesundheitsschäden nicht überwiegen. Diese Offenheit habe unnötige
Unsicherheit gegenüber den anderen Impfstoffen verringert, meint Camilla
Foged, Professorin für Vakzindesign in Kopenhagen.
Als nächstes Land hat Schweden für Ende September die Aufhebung der
Coronarestriktionen angekündigt. Laut [3][ECDC] ist die dortige
7-Tage-Inzidenz mit 66,5 die niedrigste in Skandinavien. Dänemark meldet
hierbei aktuell mit 96 sogar einen höheren Wert als Deutschland mit 83.
13 Sep 2021
## LINKS
[1] https://en.coronasmitte.dk/covidtravelrules/de
[2] https://vaccinetracker.ecdc.europa.eu/public/extensions/COVID-19/vaccine-tr…
[3] https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Dänemark
Impfung
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Pflegekräftemangel
Skandinavien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Coronavirus in Dänemark: Die Zahlen steigen wieder
Vor kurzem hat Dänemark alle Coronamaßnahmen fallengelassen. Nun steigen
die Inzidenzen, doch für strengere Regeln gibt es keine Mehrheit.
Migrationspolitik an EU-Außengrenze: Dänemark folgt Orbáns Vorbild
Kopenhagens sozialdemokratische Regierung liefert Litauen gefährlichen
Klingendraht für die Grenze zu Belarus. Auch sonst steht sie für strikte
Abschottung.
„Grüner Pass“ für Beschäftigte in Italien: Impfung, Test oder Geldstrafe
Arbeitnehmer*innen müssen in Italien ab Oktober nachweisen, dass sie
geimpft oder getestet sind, sonst drohen Strafen. Ähnliches gilt in anderen
EU-Ländern.
Coronazahlen in Deutschland: Pause beim Anstieg
Die Corona-Infektionszahlen erhöhen sich in Deutschland gerade nicht mehr.
Wie das kommt und ob es dabei bleibt, ist aber unklar.
Ende der Coronamaßnahmen: Eine Exit-Strategie ist auch bei uns nötig
Der Bevölkerung auf ungewisse Zeit weiter Restriktionen aufzubürden, ist
unverhältnismäßig. Es braucht klare Ansagen der Bundesregierung.
Gesundheitsökonom über Coronakrise: „Auf schwere Fälle konzentrieren“
Das deutsche Gesundheitssystem kommt in der Pandemie an seine Grenzen.
Gesundheitsökonom Jonas Schreyögg dazu, warum das keine Frage des Geldes
ist.
Corona-Regeln in Nordeuropa: Kehrtwende zu mehr Masken
In Skandinavien gab es bisher weder Empfehlungen noch Vorschriften zu
Masken. Seit Anfang August lässt sich ein Kurswechsel ausmachen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.