| # taz.de -- Urteil im Prozess in Ruanda erwartet: Vom Filmhelden zum Terroristen | |
| > Paul Rusesabagina droht wegen Mordes und Terrorfinanzierung lebenslange | |
| > Haft. Einst inspirierte er Hollywood zum Film „Hotel Ruanda“. | |
| Bild: Rusesabagina im Gespräch mit einem seiner Anwälte bei einer Anhörung i… | |
| Brüssel taz | Seine Unterstützer im Ausland stellen ihn als verfolgten | |
| Oppositionellen dar, für Ruandas Staat ist er ein Drahtzieher des Terrors. | |
| Am 20. September soll in Ruandas Hauptstadt Kigali das Urteil im Prozess | |
| gegen Paul Rusesabagina fallen, ehemaliger [1][Direktor des Hotels „Mille | |
| Collines“ in Kigali], wo während des [2][ruandischen Völkermords 1994] | |
| verfolgte Tutsi Zuflucht fanden – eine Geschichte, die im Hollywood-Film | |
| „Hotel Ruanda“ verfilmt wurde, was allerdings manche | |
| Völkermordüberlebende später als geschönte Fiktion bezeichneten. | |
| Später wurde Rusesabagina ein führender Exiloppositioneller gegen Ruandas | |
| Tutsi-Präsident Paul Kagame. Rusesabagina wurde im August 2020 nach Ruanda | |
| verschleppt und verhaftet und steht seit Februar dieses Jahres zusammen mit | |
| 18 weiteren Angeklagten in Kigali vor Gericht. | |
| Sie alle sind angeklagt der Zugehörigkeit zur Gruppe FLN (Front de | |
| libération national), bewaffneter Arm der von Rusesabagina gegründeten | |
| Oppositionskoalition MRCD (Mouvement rwandais pour le changement | |
| démocratique). Die FLN hat bei Angriffen in Ruanda in den Jahren 2018 und | |
| 2019 neun Menschen getötet. | |
| Rusesabagina muss mit lebenslanger Haft in 13 Anklagepunkten im | |
| Zusammenhang mit „Terrorismus“ rechnen, darunter Mord und | |
| Terrorfinanzierung. Er hat vor Gericht zugegeben, die [3][FLN und MRCD | |
| gegründet zu haben], aber seine Rolle minimiert: „Wir haben die FLN als | |
| bewaffneten Arm gegründet, nicht als Terrorgruppe“, sagte er. „Ich | |
| bestreite nicht, dass die FLN Verbrechen begangen hat, aber meine Rolle in | |
| der Bewegung war die Diplomatie.“ | |
| ## Zusammenarbeit zwischen Ruanda und Belgien | |
| Die Beweismittel sprechen eine andere Sprache. In einem Video von Dezember | |
| 2019 verteidigt Rusesabagina den bewaffneten Kampf. Laut Anklage hat er | |
| auch in seiner Vernehmung zugegeben, der FLN über 20.000 Euro geschickt zu | |
| haben. | |
| Vor Gericht wurden Whatsapp-Nachrichten vorgelegt, wonach Rusesabagina in | |
| Belgien in Echtzeit über militärische Aktivitäten der FLN informiert war | |
| und im engen Austausch mit General Wilson Irategeka stand – ein ehemaliger | |
| leitender Kommandeur der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
| (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Rusesabagina, Irategeka und | |
| ein weiterer ruandischer Exilpolitiker, Callixte Nsabimana, hatten die MCRD | |
| 2017 gemeinsam aus der Taufe gehoben. | |
| Laut der ruandischen Anklage gegen Rusesabagina, die der taz vorliegt, | |
| diente die Gründung Rusesabagina dazu, „eine Armee zu haben“ – nämlich … | |
| Teil der FDLR, den Irategeka mitnahm, als er 2016 mit der Miliz brach. Ab | |
| 2018 hieß diese Armee FLN, als bewaffneter Flügel der MCRD, mit Basen im | |
| Kongo und später in Burundi, so die Anklageschrift: „Die FLN erhielt | |
| Ausrüstung und rekrutierte Kämpfer in ruandischen Flüchtlingslagern unter | |
| anderen in Kongo, Burundi und Uganda.“ | |
| Mehrere ehemalige FLN-Kämpfer sagten im Prozess aus. Wichtige Beweismittel | |
| gegen Rusesabagna basieren allerdings auf Zusammenarbeit zwischen den | |
| Justizbehörden Ruandas und Belgiens, dessen Staatsbürgerschaft Rusesabagina | |
| hält und wo er lange lebte. | |
| Belgische Ermittler übermittelten Beweise für Rusesabaginas Finanzierung | |
| der bewaffneten Aktivitäten der FNL nach Ruanda. Ein belgisches | |
| Polizeidokument von September 2019 an den zuständigen belgischen | |
| Ermittlungsrichter unterstreicht, dass gegen Personen ermittelt werde, die | |
| wissentlich an Aktivitäten einer terroristischen Organisation beteiligt | |
| waren. Ruandas Behörden hatten Terrorangriffe der FLN in Ruanda im November | |
| 2018 in einem Schreiben an die belgischen Behörden aufgelistet. Die | |
| belgischen Ermittler befragten daraufhin Rusesabagina, durchsuchten sein | |
| Haus und stellten ihre Erkenntnisse Ruanda zur Verfügung. | |
| ## Aufklärung terroristischer Taten | |
| Dank der belgischen Rechtshilfe verfügt Ruandas Justiz nun über zahlreiche | |
| Belege, wonach Angehörige von Rusesabaginas Organisation sich als | |
| Mitglieder einer bewaffneten Gruppe bezeichneten und Geld von Belgien aus | |
| überwiesen. Es gab Überweisungen per Western Union im Jahr 2018 unter | |
| anderem an MRCD-Schatzmeister Eric Munyemana. Der leitete Geld weiter an | |
| General Irageteka. Weitere Überweisungen gingen von einem Christian Baloka | |
| an einen anderen ehemaligen FDLR-Kader, Jean de Dieu Sikubwabo in Burundi. | |
| Diese Personen tauchen auch in den ruandischen Polizeiverhören des | |
| prominentesten Kronzeugen gegen Rusesabagina auf: Callixte Nsabimana alias | |
| Sankara, ehemals zweiter Vizepräsident der MRCD, Sprecher der FLN und | |
| Leiter ihrer Untergruppe MRR (Mouvement récolutionnaire rwandais), der im | |
| April 2019 in Ruanda verhaftet wurde und jetzt gegen Rusesabagina ausgesagt | |
| hat. | |
| Quellen aus Ruandas Präsidentschaft betonen, dass es sich beim Prozess | |
| gegen Rusesabagina nicht um die persönliche Verfolgung eines politischen | |
| Oppositionellen handele, wie es dessen Familie glauben machen wolle. Es | |
| gehe um die Aufklärung der Taten einer terroristischen bewaffneten Gruppe, | |
| wobei Ermittler aus Ruanda, Belgien und den USA zusammenarbeiteten. | |
| Rusesabagina, so die Ankläger, „gab der FLN persönlich Geld, warb für sie | |
| und organisierte ihre Finanzierung“. | |
| 20 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| François Misser | |
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