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# taz.de -- taz-Autor:innen und die Wahl: Dialog ohne Missionierungsdrang
> Vermittelt von „Zeit Online“ hat sich unsere Autorin mit wem getroffen,
> der in vielen Punkten ganz anderer Meinungen ist als sie. Ein Erfolg.
Bild: Und was soll ich sagen? Unser erstes digitales Zusammentreffen war, nun j…
Sollte es einen bundesweiten Mietendeckel geben? Sollten Flüge innerhalb
Deutschlands verboten werden? Sollte Benzin stärker besteuert werden? Das
sind nur drei von zahlreichen Fragen, in denen ein mir bis vor Kurzem
unbekannter Mann und ich unterschiedlicher Meinung sind. Nennen wir ihn
hier Manuel F. Zusammengebracht hat uns beide Zeit Online, gematcht, so wie
bei einem Datingportal. „Deutschland spricht“ heißt das Gesprächsformat,
das eine „Plattform für politische Zwiegespräche“ sein soll.
Keine Ahnung, warum ausgerechnet Manuel F. und ich gematcht wurden. Denn
für ein echtes Streitgespräch, bei dem die Fetzen fliegen, sind wir uns
eigentlich zu ähnlich. Beide mit akademischer Ausbildung, beide weiß und
mit keinem allzu großen Altersunterschied. Und was soll ich sagen? Unser
erstes digitales Zusammentreffen war, nun ja, harmonisch. Wir sind uns
nicht einmal ins Wort gefallen.
Und das, obwohl wir mitunter weit auseinander lagen. [1][Gendern] zum
Beispiel. Manuel F. findet Sternchen, Unterstriche, Doppelpunkte unpassend.
Er möchte von seiner Bank nicht als „Liebe*r Kund*in“ angeschrieben werden.
„Wird die Gesellschaft dadurch gerechter?“, fragte er. Ich sehe das anders
und erzählte von einem meiner ersten Tage nach dem Mauerfall in Westberlin.
Ich stand auf einem U-Bahnhof und entdeckte ein Plakat, auf dem in großen
Lettern „BerlinerInnen“ prangte. Was für ein irrer Move, dachte ich als
Ostberlinerin, Frauen und Männer in einem Wort erwähnt.
Apropos Osten. Hat man, wenn man in der DDR groß geworden ist, nicht die
Nase voll von Pflichten und Verordnungen? fragte Manuel F. Wir sind bei
[2][Corona] angekommen. Ich plädiere für eine Impfpflicht, er ist dagegen –
obwohl er geimpft ist. Ich: Wer sich ohne gesundheitlichen Grund nicht
impfen lässt, später erkrankt und auf der Intensivstation landet, belastet
die medizinischen Kapazitäten, die Allgemeinheit und die öffentlichen
Kassen. Manuel F.: Stimmt. „Aber ist eine Impfpflicht der richtige Weg?“
Was ist mit G2? Ist richtig, sage ich. Eine Impfpflicht durch die
Hintertür, sagt Manuel F. Dann schauen wir uns im Videochat an – und
schweigen.
Afghanistan, Geflüchtete, Rassismus – heikle Themen, wir liegen überkreuz.
Ich erzähle von der jungen Frau aus Eritrea, die ein Jahr bei mir gewohnt
hat. Manuel F. hat keine schönen Erfahrungen mit jungen Männern aus
Nordafrika gemacht. Wir reden und hören einander genau zu. Zwei Tage später
schreibt Manuel F. eine Mail: „Die Gründe für unseren zivilisierten
Gesprächsverlauf liegen darin, dass keiner versucht hat, den anderen zu
missionieren und dessen Meinung akzeptiert hat. Kommt heutzutage nicht mehr
häufig vor.“
Ich denke: Wenn das kein Gewinn ist. Wir verabreden uns wieder.
23 Sep 2021
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## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Gesprächskultur
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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Marx
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