# taz.de -- Jüdisches Leben: Korpsgeist kann auch Gutes tun | |
> In der Ausstellung „Jüdisches Leben und Polizei – Vergangenheit trifft | |
> Gegenwart“ wird auch auf widerständige Biografien verwiesen, die Mut | |
> machen. | |
Bild: Der jüdische Rechtsanwalt Michael Siegel wurde so 1933 durch München ge… | |
BERLIN taz | Willkommen und Shalom steht am Eingang, daneben sind in einem | |
Schaukasten eine Kippa und eine Dienstmütze der Polizei Berlin zu sehen. | |
„Jüdisches Leben und Polizei – Vergangenheit trifft Gegenwart“ heißt die | |
Ausstellung, die bis Ende des Monats im Foyer des Polizeipräsidiums am | |
Platz der Luftbrücke zu sehen ist. Anschließend tourt sie durch die | |
Dienststellen der Polizei und wird dann in der Polizeiakademie in Ruhleben | |
einen festen Platz finden. | |
Ausgangspunkt war, dass sich die Berliner Polizei mit einem eigenen Beitrag | |
am Jubiläumsjahr „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ beteiligen | |
wollte. Das Konzept ausgearbeitet haben maßgeblich Polizeinachwuchskräfte. | |
Von der Nazizeit, in der der damalige Berliner Polizeipräsident 1938 | |
insgesamt 76 Richtlinen erließ, um die jüdische Bevölkerung beim | |
Vorsprechen bei der Polizei zu schikanieren, spannt sich der Bogen bis | |
heute zu rechtsextremistischen und antisemitischen Vorfällen, auch | |
innerhalb der Polizei. Sieben Stelltafeln gibt es. | |
Die Themen sind nur angerissen, in der virtuellen Schau | |
[1][juedisches-leben-und-polizei.berlin.de] erfährt man mehr. „Hate Speach“ | |
und „mit Vehemenz entgegentreten“ ist eine Stelltafel überschrieben. | |
Veröffentlicht sind dort Presseberichte über einen Vorfall, der 2020 | |
bekannt wurde. Studierende der Polizei mussten die Hochschule verlassen, | |
weil sie in Chats [2][menschenverachtende Inhalte] getauscht hatten. | |
Eröffnet wurde die Schau am Donnerstag im Rahmen eines Festaktes auf dem | |
Gelände der Neuen Synagoge in Mitte. Dem Antisemitismus in der Gesellschaft | |
als auch in den Reihen der Polizei entschlossen entgegenzutreten, „dafür | |
stehe ich als Polizeipräsidentin“, sagte [3][Barbara Slowik] in ihrer | |
Ansprache. Auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) versicherte, dass | |
Extremisten in der Berliner Polizei keinen Platz hätten. Das Erstarken des | |
Antisemitismus sei ein gesamtgesellschafliches Phänomen und längst kein | |
Problem der Ränder mehr. „Die Gefahr“, so Geisel, „liegt im Schweigen der | |
Mitte.“ In der Ausstellung würden aber auch Biografien gezeigt, „die Mut | |
machen“. | |
## Vollständige Zerstörung verhindert | |
Als Beispiel verwies er auf den Vorsteher des Reviers 16 am Hackeschen | |
Markt, Wilhelm Krützfeld. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. | |
November 1938 waren alle Polizisten angewiesen worden, Gewaltaktionen gegen | |
Juden nicht zu verhindern. Polizeibeamte des Reviers 16 hatten sich der SA | |
indes entgegengestellt und so die vollständige Zerstörung der Neuen | |
Synagoge verhindert. Entgegen dem Befehl hatte Krützfeld sofortige | |
Löscharbeiten angeordnet und sich dabei auf Denkmalschutz und den Schutz | |
der umliegenden Häuser berufen. | |
Andere Polizisten des Reviers sollen jüdische Einrichtungen vor Razzien | |
gewarnt und hilfreiche Papiere besorgt haben. „Man hat sich wahrscheinlich | |
gegenseitig gedeckt, anders wäre dieses Ausmaß an Hilfe nicht möglich | |
gewesen“, wird auf der entsprechenden Tafel vermutet. Korpsgeist kann | |
offenbar auch Gutes bewirken. | |
3 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://juedisches-leben-und-polizei.berlin.de/ | |
[2] /Rechtsextreme-Chatgruppe-in-der-Polizei/!5789581 | |
[3] /Rechtsextremismus-in-der-Polizei/!5757453 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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