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# taz.de -- Proteste in Belarus – ein Jahr danach: Retten, was noch zu retten…
> Ob Ökologie, Bildung oder Hilfe für kranke Menschen – der belarussische
> Staat macht systematisch Jagd auf alle NGOs. Die meisten stehen vor dem
> Aus.
Bild: Dicht machen auf Teufel komm raus: Alexander Lukaschenko
Im vergangenen Jahr hat sich die Diktatur all derer entledigt, die gestört
haben und mit der allgemeinen Politik von Alexander Lukaschenko nicht
einverstanden waren. Allein im Juni wurden in Belarus mehr als 105
zivilgesellschaftliche Organisationen abgewickelt oder stehen kurz davor.
Die Staatsmacht schließt Nichtregierungsorganisationen, die sich um
Ökologie, Bildung, Kultur, Landwirtschaft gekümmert haben.
Sie haben Menschen mit Einschränkungen unterstützt, Rentner*innen sowie
[1][Kindern und Erwachsenen mit genetischen und onkologischen Erkrankungen]
geholfen. Auf Anordnung von Alexander Lukaschenko erhalten Tausende
Belarus*innen keine Hilfe mehr, die der Staat nicht bereitgestellt hat,
der dies auch in Zukunft nicht tun wird.
Vor fünf Jahren ging in Minsk das Medium Imena an den Start, das sich durch
Crowdfunding finanziert. Viele Belarus*innen taten sich zusammen und
lernten, Bedürftigen in schwierigen Situationen zu helfen. In dieser ganzen
Zeit haben Privatpersonen und Geschäftsleute für Initiativen im Land
umgerechnet rund 2,5 Millionen Euro gespendet. 39 soziale Projekte wurden
ins Leben gerufen, 47.254 Menschen erhielten Hilfe. Im Non-Profit-Bereich
hat die Plattform 211 Arbeitsplätze geschaffen.
„Ich verspüre nur Wut. Sie haben uns den Boden unter den Füßen weggezogen
und ein Stück Leben aus uns herausgerissen“, sagt Ekaterina Kiselowa,
Chefredakteurin von Imena. „Das ist unser Kind, für das wir alle unsere
Kraft und Zeit investiert haben.“
## Widersprüchliche Briefe
Imena sei durch eine Entscheidung des Minsker Exekutivkomitees abgewickelt
worden. Zwei komplett widersprüchliche Briefe habe Imena erhalten. „Uns
wird vorgeworfen, dass wir seit 24 Monaten keiner unternehmerischen
Tätigkeit nachgegangen sind. Aber dazu sind wir als
Nichtregierungsorganisation gesetzlich nicht verpflichtet“, sagt Kiselowa.
Vierzehn Mitarbeiter*innen von Imena haben ihre Arbeit verloren und
jetzt kein Einkommen mehr. Das Konto hat das Ermittlungskomitee blockiert,
das Büro wurde versiegelt. „Wir konnten das Liquidationsverfahren nicht
ordnungsgemäß durchführen, wie man das macht, nachdem etwaige Schulden
beglichen sind“, sagt Kiselowa.
Derzeit bereitet Imena mithilfe von Anwält*innen eine Klage vor, um zu
retten, was noch zu retten ist. Doch die Hoffnung der
Mitarbeiter*innen hält sich in Grenzen. „Nach den landesweiten
Säuberungen und Durchsuchungen waren wir auf alles vorbereitet, doch nicht
darauf, dass es so schlimm enden würde“, sagt Kiselowa.
[2][Nichtregierungsorganisationen], das sind Aktivist*innen, die der
Staatsmacht unbequem sind, ihr Denken, ihre Aktionen sowie ihr Einfluss auf
die Gesellschaft sind nur schwer zu kontrollieren. Die staatliche Position
lautet: Alle, die mit ihr nicht übereinstimmen, werden unterdrückt. Das ist
nur eine Frage der Zeit. Der Mehrheit der Projekte droht die Schließung,
denn finanziert wurden sie über die Plattform Imena per Druck auf den Knopf
„Hilfe“, der jetzt nicht mehr funktioniert.
## Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt
Im Rahmen des Projekts „Kindermädchen statt Mama“ besuchten Nannys Kinder,
die sich selbst überlassen sind. Das Projekt „Genom“ hat sich um Kinder und
Erwachsene mit seltenen genetischen Erkrankungen gekümmert. Es gab
Hilfsprojekte für Obdachlose und Waisenkinder. Die Gruppe „Angel“ (Engel)
sucht landesweit nach Verschwundenen und hilft Opfern häuslicher Gewalt. Es
gab eine Stiftung zur Unterstützung von HIV-Positiven, ein Hospiz,
Unterricht für autistische Kinder und vieles andere mehr. Die meisten
dieser Projekte werden bald schließen müssen.
Die Mitarbeiter*innen verlieren ihre Arbeit, die Bedürftigen ihre
Unterstützung. Die Einzigartigkeit der Plattform Imena bestand darin, dass
bei jedem Projekt Geschichten entstanden sind, auf die sich Menschen
eingelassen und geholfen haben.
„Wir haben die Arbeit so organisiert, dass alle Kosten über die Konten von
Imena gelaufen sind. Das hat uns die Möglichkeit von Transparenz gegeben.
Die Menschen haben uns vertraut. Laut Gesetz müssen wir unsere
Rechnungslegung nicht öffentlich machen, aber für uns war es wichtig, alles
auf unserer Seite zu veröffentlichen“, sagt Kiselowa. Vor einigen Monaten
hätten die Mitarbeiter*innen von Imena selbst eine Überprüfung
durchgeführt. Alle Berichte seien in Ordnung gewesen.
Jetzt könne Imena nur noch moralisch unterstützen. Die Plattform habe alle
Daueraufträge gesperrt, um zu verhindern, dass Belarus*innen Geld auf
ein gesperrtes Konto überweisen. „Auf der ganzen Welt engagieren sich
Menschen im Non-Profit-Bereich, weil sie dem Ruf ihrer Seele und ihres
Herzens folgen und in einer Art ideologischen Mission unterwegs sind. Das
wird jetzt schwer, aber wir glauben an bessere Zeiten“, sagt Kiselowa.
Viele Nichtregierungsorganisationen werden ihre Tätigkeit fortsetzen, aber
das wird ihnen mit jedem Tag schwerer gemacht. Die Repressionen in Belarus
werden weitergehen.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
21 Aug 2021
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## AUTOREN
Olga Deksnis
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