| # taz.de -- Krise in Tunesien: Internationale Appelle an Saied | |
| > Die USA fordern Präsident Saied zum Dialog auf und vermeiden zunächst das | |
| > Wort „Putsch“. Tunesiens Führung zieht Ausgangssperre auf 19 Uhr vor. | |
| Bild: Montag in Tunis: „Es lebe Tunesien“ steht auf dem Transparent | |
| Tunis afp | Nach der Entmachtung der tunesischen Regierung durch Präsident | |
| Kais Saied wächst international die Sorge um die Demokratie in dem Land. | |
| US-Außenminister Antony Blinken forderte Saied am Montag in einem Telefonat | |
| auf, die „Prinzipien der Demokratie und der Menschenrechte“ zu achten. Es | |
| müsse einen „offenen Dialog mit allen politischen Akteuren“ in Tunesien | |
| geben. Der entlassene Regierungschef Hichem Mechichi kündigte an, die | |
| Amtsgeschäfte an einen von Saied bestimmten Nachfolger zu übergeben. | |
| Saied hatte am Sonntagabend überraschend [1][die Entlassung Mechichis sowie | |
| die vorläufige Aussetzung der Arbeit des Parlaments verkündet] und erklärt, | |
| er werde die Regierungsgeschäfte mit Hilfe eines neuen Regierungschefs | |
| übernehmen. Der Präsident kündigte zudem die Aufhebung der Immunität aller | |
| Abgeordneten an. | |
| Am Montag entließ er Verteidigungsminister Ibrahim Bartaji und die | |
| Interims-Justizministerin Hasna Ben Slimane. Vorausgegangen waren den | |
| Entlassungen [2][Proteste gegen das Corona-Krisenmanagement] der Regierung | |
| in mehreren tunesischen Städten. | |
| Während Saied betonte, sein Handeln stehe im Einklang mit der Verfassung, | |
| warf ihm die islamistisch geprägte Regierungspartei Ennahdha einen „Putsch“ | |
| vor. Am Montag lieferten sich Anhänger beider politischer Seiten in Tunis | |
| Straßenkämpfe. Am Abend verkündete das Präsidialamt dann eine Ausweitung | |
| der bestehenden nächtlichen Ausgangssperre um zwei Stunden von 19 bis 6 | |
| Uhr. Zudem wurden Versammlungen mit mehr als drei Teilnehmern verboten. | |
| ## Europa und USA sprechen nicht von „Putsch“ | |
| International löste die politische Krise in Tunesien Besorgnis aus. Das | |
| Auswärtige Amt in Berlin forderte eine schnelle Rückkehr zur | |
| verfassungsmäßigen Ordnung in dem Land. Die von Staatschef Saied verkündete | |
| Aussetzung der Arbeit des Parlaments sei aus Sicht der Bundesregierung eine | |
| „recht weite Auslegung der Verfassung“, sagte eine Sprecherin. | |
| Auch Frankreich mahnte eine rasche Rückkehr zur „normalen“ | |
| Regierungsführung an. Die EU rief die Menschen in Tunesien dazu auf, | |
| friedlich zu bleiben. Von einem „Putsch“ sprachen weder die Europäer noch | |
| die USA. | |
| Die US-Regierung betonte, dass „Tunesien seine demokratischen Erfolge nicht | |
| verschleudern“ dürfe. US-Präsidentensprecherin Jen Psaki sagte, es sei zu | |
| früh, um zu sagen, ob Saied einen Putsch unternommen habe. Das | |
| US-Außenministerium werde dies analysieren. Washington muss einem US-Gesetz | |
| zufolge Hilfen für Regierungen einstellen, die durch den Sturz einer | |
| gewählten Regierung an die Macht gekommen sind. | |
| ## Sorge um Freiheit der Medien | |
| Journalistenverbände und Menschenrechtsorganisationen prangerten die | |
| Schließung der Büros des katarischen Fernsehsenders Al Jazeera in Tunis an. | |
| Beamte hätten sich Zugang verschafft „und haben uns aufgefordert, das Büro | |
| zu verlassen“, sagte Büroleiter Lotfi Hajji, der in dem Vorgehen einen | |
| „Beweis“ dafür sah, „dass die Pressefreiheit in Gefahr ist“. Auch Repo… | |
| ohne Grenzen und Amnesty International verurteilten die Büro-Schließung. | |
| In Tunis äußerte sich unterdessen erstmals seit seiner Entlassung | |
| Ex-Regierungschef Mechichi. „Ich werde die Machtübergabe an die vom | |
| Präsidenten der Republik ernannte Persönlichkeit sicherstellen“, erklärte | |
| er. | |
| Die tunesische Politik war in den vergangenen Monaten von einem Machtkampf | |
| zwischen Mechichi und dem Parlamentspräsidenten und Ennahdha-Vorsitzenden | |
| Rached Ghannouchi auf der einen sowie Präsident Saied auf der anderen Seite | |
| bestimmt worden. Für zusätzlichen Unmut in der Bevölkerung sorgte die von | |
| der Corona-Pandemie verschärfte Wirtschaftskrise. In dem Land mit zwölf | |
| Millionen Einwohnern starben mehr als 18.000 Menschen im Zusammenhang mit | |
| Covid-19. Zuletzt stiegen die Corona-Fallzahlen wieder rasant an. | |
| 27 Jul 2021 | |
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