| # taz.de -- Aktivistin über Hausangestellte in Peru: „Wir waren de facto Skl… | |
| > Hausangestellte haben eine ILO-Konvention erkämpft, die bessere | |
| > Bedingungen brachte. Doch Corona hat die Lage verschärft, sagt Sofia | |
| > Mauricio Bacilio. | |
| Bild: Setzt sich für Hausangestellte in Peru ein: Sofia Mauricio Bacilio (Mitt… | |
| taz: Frau Mauricio Bacilio, warum ist die Konvention 189 der | |
| Internationalen Arbeitsorganisation für die Rechte der Hausangestellten so | |
| wichtig? | |
| Sofia Mauricio Bacilio: Die Konvention 189 ist ein Meilenstein, weil sie | |
| die Arbeit der Hausangestellten würdigt. Sie macht die Hausangestellten, | |
| die in Peru zu 95 Prozent Frauen sind, und ihre miesen Arbeitsbedingungen | |
| sichtbar. Sie setzt das Thema der Ausbeutung und Diskriminierung der | |
| dienstbaren Geister auf die internationale Agenda. Nur ein Beispiel: Ich | |
| bin im Alter von gerade mal 7 Jahren in den Haushalt einer | |
| Mittelklassefamilie geschickt worden und musste dort fortan leben und den | |
| Haushalt führen. Das wünsche ich niemanden in diesem Alter – in keinem Land | |
| der Welt. | |
| Sie waren also selbst Hausangestellte. Aber inzwischen haben Sie die Schule | |
| nachgeholt, sich weiterqualifiziert und heute leiten Sie ein Zentrum von | |
| Hausangestellten für Hausangestellte, die Casa de Panchita. Obendrein | |
| moderieren Sie die Radiosendung „Wir sind nicht unsichtbar“. Wie haben Sie | |
| das geschafft? | |
| Irgendwann, ich war 12 Jahre alt und arbeitete für eine Familie in Lima, | |
| hat meine damalige Arbeitgeberin mich aufgefordert, ihr ins Bad zu folgen | |
| und mir die Haare kurz geschnitten – ohne mich zu fragen, ob ich | |
| einverstanden sei. Ich fühlte mich wie ein Objekt, komplett entmündigt, und | |
| habe mich gefragt, woher die Arbeitgeberin das Recht nahm, mich so zu | |
| behandeln. Das war ein Wendepunkt. Wenig später habe ich andere | |
| Hausangestellte in einem Gemeindehaus der Kirche in Lima getroffen, wir | |
| haben über unsere Rechte diskutiert. Und für mich war dann klar, dass ich | |
| an die Abendschule gehe und mein Abitur nachhole. Ich wollte raus aus dem | |
| Kreislauf von Ausbeutung und Diskriminierung. Also habe ich mich über | |
| unsere Rechte informiert – die waren damals quasi inexistent. Die | |
| peruanische Gesetzgebung legte gerade mal fest, dass Hausangestellte am Tag | |
| acht Stunden für sich haben sollten. Acht Stunden! Wir waren rechtlos, de | |
| facto Haushaltssklaven. | |
| In Peru hat sich daran einiges, aber längst nicht alles geändert. Wie ist | |
| die Situation der Hausangestellten, die ja meist Frauen sind, heute? | |
| Wir haben uns seit Mitte der 1990er Jahre immer besser organisiert, sind | |
| für unsere Rechte auf die Straße gegangen und bei der Durchsetzung unserer | |
| Forderungen war die ILO-Konvention 189 so etwas wie ein Katalysator. Wir | |
| konnten immer wieder darauf verweisen, dass andere Länder wie Bolivien oder | |
| Uruguay weiter waren, dass die Konvention uns Rechte zuspricht, die in Peru | |
| mit Füßen getreten werden. Letzteres hat sich langsam geändert, seit die | |
| Regierung die Konvention im Jahr 2018 unterzeichnet hat. Mit der | |
| Unterschrift verpflichtete sie sich, die ILO-Konvention 189 binnen zwei | |
| Jahren in nationales Recht zu implementieren. | |
| Im vergangenen Jahr hat die Regierung nun ein entsprechendes Gesetz | |
| verabschiedet. Hat sich seitdem etwas verändert? | |
| Ja und nein. Wir haben nun ein Gesetz, dass die Rechte der Hausangestellten | |
| beiderlei Geschlechts schützt. Aber die Umsetzungsbestimmungen haben länger | |
| gebraucht und sind erst vor wenigen Wochen verabschiedet worden. So weiß | |
| bislang kaum jemand in Peru, dass Überstunden, Diskriminierung am | |
| Arbeitsplatz oder Bezahlung unterhalb des Mindestlohns Delikte sind, die | |
| sanktioniert werden können. Zudem ist das Gesetz deutlich zu spät gekommen, | |
| denn die Covid-19-Pandemie hat dafür gesorgt, dass Tausende Frauen und auch | |
| einige Männer entlassen wurden, dass viele Frauen gezwungen wurden, im Haus | |
| ihrer Arbeitgeber isoliert und quasi in Dauerquarantäne zu leben und zu | |
| arbeiten – oft deutlich mehr als die nunmehr gesetzlich fixierten acht | |
| Stunden. Wir von der Casa de Panchita wissen von Frauen, die täglich | |
| vierzehn Stunden und mehr schuften. | |
| Was ist nötig, um faire Arbeitsbedingungen für Hausangestellte endlich | |
| weltweit durchzusetzen? | |
| Diejenigen, die sich ihre Wäsche machen, ihre Häuser putzen, ihre Kinder | |
| von Angestellten versorgen lassen, müssen endlich anfangen zu begreifen, | |
| dass das eine ganz normale Arbeit mit ganz normalen Rechten ist. Wir | |
| brauchen eine Kultur der Wertschätzung für die Arbeit von Hausangestellten, | |
| die Zeit der skrupellosen Ausbeutung muss endlich enden. | |
| 13 Aug 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Knut Henkel | |
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