# taz.de -- Premiere am Trampolin: Hoch hinaus | |
> Malak Hamza aus Ägypten ist die erste Afrikanerin, die auf einem | |
> olympischen Trampolin springt. Sie wird neunte und kann ihr Glück kaum | |
> fassen. | |
Bild: Höhenflug: Malak Hamza würde sich dafür mehr Anerkennung in ihrer Heim… | |
TOKIO taz | Bevor es mit den ersten Sprüngen überhaupt losgeht, strahlt | |
Malak Hamza trotz aller vermutlichen Anspannung so sehr wie keine der 16 | |
anderen Teilnehmerinnen. Und die 19-jährige Ägypterin wird dieses Strahlen | |
vermutlich in den nächsten Tagen nicht mehr so schnell verlieren. Einen | |
traumhaften Wettkampf hat sie da gerade in die Lüfte des Ariake Gymnastics | |
Center gezaubert. | |
Sie hat nicht ganz so viele Schrauben und Saltos aneinandergereiht wie die | |
beiden Chinesinnen Xueying Zhu und Lingling Liu, die Gold und Silber im | |
Trampolinwettbewerb gewannen, oder sich auch nicht so nahezu makellos | |
präsentiert in der Ausführung wie die Britin Bryony Page auf dem | |
Bronzerang, doch weit, weit besser als in ihrer Fantasie. „Mit einem | |
neunten Platz habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagt sie hernach | |
irgendwie immer noch ein wenig ungläubig. Wäre sie nur einen Rang besser | |
gewesen, hätte sie sogar zum Finale mit den weltbesten Luftkünstlerinnen | |
antreten können. | |
Doch daran will sie nicht den kleinsten Gedanken verschwenden. Sie sagt: | |
„Ich bin so stolz auf mich und hoffe, mein Land stolz gemacht zu haben.“ | |
Sie ist die erste Afrikanerin, die sich überhaupt für Olympische Spiele im | |
Trampolinwettbewerb hat qualifizieren können. Ihr neunter Platz im Feld von | |
16 Trampolinspringerinnen könnte Gold wert sein. Sie hoffe, erklärt Hamza, | |
ihr Ergebnis hilft, weitere Veränderungen zu ermöglichen. „Wir verstehen | |
den Sport noch nicht so richtig. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf | |
diesem hohen Niveau hier in Tokio Erfahrungen sammeln.“ | |
Das Interesse am [1][Trampolinspringen] kam in Ägypten recht spät auf. „Man | |
hat erst 2010 begonnen, sich um diesen Sport zu kümmern.“ Zehn Jahre zuvor | |
wurde erstmals in Sydney olympisch gesprungen. | |
Trampolin-Weltmeisterschaften finden allerdings schon seit 1964 statt. Man | |
habe noch nicht so viele Trainer. Es mangele da natürlich an der | |
Ausbildung. Unterstützung aus dem Ausland hat man lediglich durch einen | |
russischen Trainer im Nationalteam. Malak Hamza selbst wird von Seif Asser | |
Sherif, einem Landsmann, betreut. | |
Die äußeren Bedingungen sind also nicht gerade ideal und Hamzas | |
Trampolinbiografie lässt ihr Ergebnis in Tokio in noch hellerem Licht | |
erstrahlen. Im Alter von 14 Jahren ist sie zum ersten Mal aufs Sprungtuch | |
gestiegen. Sportförderung kann man das, was sie seither erfahren hat, nicht | |
wirklich nennen. Neben ihrem Wirtschaftsstudium muss Hamza für ihren | |
Lebensunterhalt nebenher arbeiten. Sie jobbt im Filmgeschäft. Dazu kommen | |
an fünf bis sechs Tagen in der Woche meist zwei bis drei Stunden Training. | |
„Um ehrlich zu sein, ist das nicht genug für die Weltspitze. So sind eben | |
meine Möglichkeiten gerade, aber ich möchte mehr. Ich habe die | |
Leidenschaft, härter zu arbeiten.“ Dafür fehle es noch an Unterstützung. | |
## Mangelnde Wertschätzung in der Heimat | |
Schon die Qualifikation für Tokio sei eine sehr enge Geschichte, die | |
Konkurrenz aus Namibia und Südafrika recht stark gewesen. Mit ihrer | |
Erfahrung bei den Olympischen Spielen habe sie sich vielleicht nun einen | |
kleinen Vorteil erarbeitet, um sich für die kommenden Weltmeisterschaften | |
zu qualifzieren. Das sei nun ihr erstes Ziel. | |
Vielleicht schlägt sich dann die Begeisterung fürs Trampolinspringen auch | |
in der ägyptischen Berichterstattung nieder. In den Medien sei ihr Auftritt | |
in den letzten Wochen kein großes Thema gewesen, sagt Malak Hamza. Den Weg | |
in die Mixed Zone des Ariake Gymnastics Center von Tokio hat an diesem | |
historischen Tag offenbar kein ägyptischer Journalist beschreiten wollen. | |
Doch was weiß man schon in Deutschland übers Trampolinspringen. Da braucht | |
es schon eine [2][Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock], damit die Menschen | |
merken, dass das ja scheinbar eine echte Sportart ist, wenn die | |
Grünen-Politikerin schon drei Bronzemedaillen bei Deutschen Meisterschaften | |
gewonnen hat. Ansonsten weiß man vielleicht noch von deutsche | |
Krankenkassen, dass Trampolinspringen, Gleichgewichtssinn und Koordination | |
stärkt und vorbeugend gegen Osteoporose wirkt. | |
Ganz großer Sport war allerdings das, was die 16 Frauen an diesem Tag in | |
Tokio darboten. 30,72 Sekunden flog Malak Hamza in ihren insgesamt 20 | |
Pflicht- und Kürsprüngen durch die Luft. Und weil sie im Unterschied zu | |
einigen nervösen und patzenden Konkurrentinnen ihre Programm zu Ende | |
springen konnte, rückte sie Rang um Rang vor. | |
Die Olympiasiegerin Xueying Zhu, die im Finale noch einmal zehn Sprünge | |
mehr hatte, wirbelte sogar 47,135 Sekunden mit größten Schwierigkeitsgraden | |
und Perfektion durch die Luft. Die Kunst, die sowohl Zhu als auch Hamza | |
beherrschen: Sekunden für den Zuschauer in eine unglaubliche Länge zu | |
ziehen. Es ist kaum zu begreifen, wie so viele Saltos und Drehungen, so | |
viel Körperbeherrschung und Anmut in eine so knappe Zeitspanne passen. | |
31 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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