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# taz.de -- Schreibwaren in Schule: Konsumrausch für Paw Patrol
> Vor Schulbeginn überbieten Eltern einander auf der Suche nach
> Schulutensilien. Und andere müssen für diese aufs Essen verzichten.
Bild: Bei der Einschulung können schnell Kosten von mehreren hundert Euro anfa…
Was finden Kidz gerade supercool? Null Ahnung! Also habe ich eine gute
Freundin gefragt, was ich ihren Kindern als kleine Geschenke gönnen darf.
Wir hatten uns zum Mittagessen und zum gemeinsamen Spielplatzbesuch am
Wochenende verabredet. Sie antwortete: Klebetattoos gehen immer und sind
wieder hoch im Kurs. Ich durchforstete also alle Läden entlang einer langen
Einkaufsstraße – und fand keine Tattoos. Besser so. Wer will schon eine
dieser seelenlosen 3-D-Zeichentrickfiguren tagelang auf die eigene Haut
pappen?
In den vielen Schreibwaren- und Ramschläden, in denen ich war, konnte ich
ein ernstes Phänomen beobachten. Ich habe keine Kinder, aber die
Verzweiflung einiger Eltern sprang sogar auf mich über. Nur eine kleine
Szene: Eine Mutter stand in einem dieser 1-Euro-Läden (wo aber das halbe
Sortiment viel mehr kostet, obwohl es niemand braucht) und diskutierte mit
ihrem Sohn, der in wenigen Tagen eingeschult wird. Es kam mir vor, als
würden Mutter und Kind einen nationalen Dialog führen – und das Kind saß am
längeren Hebel.
Die Mutter erklärte, dass der Schulranzen schon 200 Euro gekostet und sie
nicht mehr so viel Geld übrig habe, um Mäppchen, Stifte und Radiergummi mit
Disney-, Nickelodeon- oder Marvel-Motiven zu kaufen. „Wir können auch aufs
Essen verzichten“, sagte sie triumphierend, weil sie dachte, das sei das
ultimative Argument. Ihr Sohn blickte sie emotionslos an und erwiderte:
„Muss nichts essen, brauche aber die [1][Paw Patrol] Sachen.“ (Paw Patrol
sind so 3-D-Polizeihunde, bitte einfach im Internet nachschauen, wer diese
fragwürdige Sendung nicht kennt). Sie hat nachgegeben und den Merch
gekauft. Ich weiß nicht, ob die Familie danach verhungert ist.
Ja, ich habe ein bisschen Panik, wie diese Kolumne ankommen wird.
[2][Helikoptereltern] sind angsteinflößend. Dennoch hier mal ein klares
Plädoyer: Alle Kinder sollten dieselben Schulutensilien bekommen. Eine
Box, die von der Schulleitung oder der Bildungsverwaltung zusammengestellt
wird. Und fertig. Auf dem Radiergummi braucht es keine Polizeihunde, eine
Schere braucht kein Prinzessinnenmotiv. Kinder aus armen Familien bekommen
die Boxen gestellt, reiche Eltern können von mir aus blechen.
## Niemand kennt „Postmappen“
Wie weit entfernt die Realität von meinem Plädoyer ist, habe ich erkannt,
als ich die Einkaufsliste für die Einschulung der Tochter meiner Freundin
gesehen habe. Die Lehrerin bittet schriftlich darum, für Jungs blaue und
für Mädchen möglichst rote Utensilien zu kaufen. So als hätten wir 1958.
Die Kinder sollen „Zeichenkartons“ und „Postmappen“ mitbringen steht da.
Niemand, auch nicht im Schreibwarenladen, wisse genau, was damit gemeint
sei, sagte mir meine Bekannte. Dann hat sie mir einige Elternblogs gezeigt.
Dort geben sich User*innen Tipps, welche edlen und überteuerten
Schulutensilien, Schultüten und Einschultorten es gibt. Was wohl die Mutter
aus dem 1-Euro-Laden von diesem Konsumrausch hält?
6 Aug 2021
## LINKS
[1] /Kolumne-Nach-Geburt/!5599878
[2] /Neue-Serie-auf-TNT-Comedy/!5578601
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Kolumne Die Nafrichten
Schule
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Ilija Trojanow
Schule und Corona
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