# taz.de -- Ende Gelände-Aktion in Hamburg: Klimaprotest antikolonial | |
> Gegen Rassismus in der Debatte um Klimagerechtigkeit: Die Aktion | |
> „Antikoloniale Attacke“ protestiert im Rahmen der Aktionstage von Ende | |
> Gelände. | |
Bild: Kämpferisch: Spitze der Demonstration am Samstag vor der Kunsthalle | |
HAMBURG taz | Sprühdosen klackern, eine vermummte Person rührt in einem | |
Farbeimer. Am frühen Sonntagmorgen beginnt eine Gruppe von | |
Aktivist*innen, das 1936 erbaute Kriegerdenkmal am Dammtor | |
umzugestalten. Von der Inschrift „Deutschland muss leben, und wenn wir | |
sterben müssen“ ist nach kurzer Zeit nur noch zu lesen: „Deutschland … m… | |
sterben“. | |
Groß steht „Free Afrika“ auf dem Stein, davor auf dem Boden: „Nakam“, … | |
hebräische Wort für „Rache“. So nannte sich eine Gruppe jüdischer | |
Überlebender der Shoah, die Anschläge auf Nazis verübte. Pyros gehen an und | |
kurz sind der Muschelkalkklotz und das Antikriegsdenkmal daneben in rotes | |
Licht gehüllt. Von der Polizei ist nichts zu sehen. | |
Die Aktion scheint der vorläufige Höhepunkt der „[1][Antikolonialen | |
Attacke]“ zu sein, einer von einem Bündnis von Migrant*innen, Schwarzen und | |
Menschen of Color (BIPoC) getragenen Protestaktion im Zuge der diesjährigen | |
[2][Aktionstage von Ende Gelände in Norddeutschland]. Neben der Blockade | |
rund um den Chem-Park in Brunsbüttel mobilisierten die Aktivist*innen | |
der „Antikolonialen Attacke“ dieses Jahr auch nach Hamburg. | |
„Die Antikoloniale Attacke ist notwendig, weil wir auch heute noch in | |
unserer Gesellschaft ganz starke koloniale Herrschaftsverhältnisse, sowohl | |
auf einer materiellen als auch einer ideologischen Ebene haben“, sagt | |
[3][Elia Nejem, Pressesprecherin von Ende Gelände] gegenüber der taz. | |
## Rassismus und Klimagerechtigkeit | |
Diese Herrschaftsverhältnisse seien Mitverursacher der Klimakrise, ihre | |
Bekämpfung deswegen grundlegender Teil des Kampfes für Klimagerechtigkeit. | |
Besonders Menschen im globalen Süden seien von den Auswirkungen des | |
Klimawandels betroffen und verlören seit Jahrzehnten ihre Lebensgrundlage | |
aufgrund der Emissionen und Weise des Wirtschaftens im globalen Norden. | |
„Klimagerechtigkeit geht nur mit Antikolonialismus“, so Nejem. | |
Am frühen Samstagmorgen heißt es noch auf Twitter: „In Hamburg wird es | |
keine Aktion des zivilen Ungehorsams geben.“ Stattdessen demonstrieren vom | |
S-Bahnhof Neuwiedenthal aus rund 130 Aktivist*innen. Neben Redebeiträgen | |
des Kollektivs Black Earth zur Schädlichkeit von LNG-Produktion und den | |
kolonialen Kontinuitäten, die darin erkennbar werden, findet auch ein | |
Vernetzungstreffen für BIPoC-Aktivist*innen während des Protests statt. | |
„Wir alle wissen: Der deutsche Reichtum wurde mit auf rassistischer | |
Ausbeutung aufgebaut“, ruft Rokaya Hamid über das Mikrofon des | |
Lautsprecherwagens in Neuwiedenthal. „Das ist ein Moment | |
Bewegungsgeschichte, der hier gerade passiert.“ | |
## Kritik an weißer Klimabewegung | |
Dieses Wochenende habe eine zentrale Bedeutung für die Stärkung der | |
Aktionsfähigkeit von BIPoC in Deutschland: „Wir müssen neue Stimmen | |
zentrieren und einen Abolitionismus des 21. Jahrhundert schaffen. Wir als | |
BIPoC in Deutschland werden nicht länger um Integration oder Teilhabe | |
betteln, wir werden dieses faschistische System angreifen: 500 Jahre | |
Kolonialismus reichen. Wir fordern euch auf und laden euch ein, mit uns | |
sämtliche neokoloniale Infrastruktur und das koloniale Erbe, wie es auch | |
hier in Hamburg sichtbar wird, anzugreifen.“ | |
Von der mehrheitlich weißen Klimabewegung fordern die Aktivist*innen | |
aktive Unterstützung. „In den letzten zwei Jahren gab es in der | |
Klimagerechtigkeitsbewegung bitter notwendige Kritik von Menschen of Color | |
in Bezug auf den Umgang mit Rassismus“, so Nejem. Einerseits würden | |
unreflektierte internalisierte Rassismen dafür sorgen, dass BIPoC sich in | |
mehrheitlich weißen Räumen sehr unwohl fühlten. | |
Die soziale Ungleichheit führe außerdem zu einem unterschiedlichen Zugang | |
zu Ressourcen. „Aktivismus machen zu können, ist ein absolutes Privileg“, | |
so Pressesprecherin Nejem. | |
Am Samstagnachmittag demonstrieren dann nochmals etwa 200 | |
Aktivist*innen vom [4][Bismarck-Denkmal] aus zum Hauptbahnhof. Vor der | |
Kunsthalle zünden die Aktivist*innen Pyrotechnik. Polizist*innen | |
schubsen, schlagen und treten daraufhin auf die Demospitze. Ziel der | |
Demonstration sei es, die Kämpfe Hamburger Geflüchteter zu unterstützen, so | |
Rokaya Hamid. | |
Ein fader Beigeschmack am Ende des Tages: Nur ein kleiner Teil der | |
Aktivist*innen von Ende Gelände schloss sich der „Antikolonialen | |
Attacke“ an. Auf dem Camp blieb der BIPoC-Camping-Space – gekennzeichnet | |
mit einem Schild – am ersten Tag beinahe leer. | |
1 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ende-gelaende.org/aktion-antikoloniale-attacke/ | |
[2] /Aktionstag-von-Ende-Gelaende/!5790550 | |
[3] /Proteste-von-Ende-Gelaende-in-Hamburg/!5790153 | |
[4] /Zukunft-des-Hamburger-Bismarck-Denkmals/!5774629 | |
## AUTOREN | |
Michael Trammer | |
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