# taz.de -- Die Wahrheit: O’zapft is! | |
> Die 500 Tage der absoluten Entbehrung sind zu Ende. Jubel im | |
> trunksüchtigen Irland: Die Kneipen machen wieder auf. | |
Es ist zwar nicht das Oktoberfest, aber es fühlt sich so an: Nach 500 Tagen | |
Dürre durften die Pubs in Irland vorigen Montag wieder öffnen. 3.000 | |
sogenannte Wet Pubs, also Feuchtbiotope ohne Essensangebot, warfen die | |
Zapfanlagen an. Kneipen, die Mahlzeiten servieren, dürfen schon seit einer | |
Weile draußen Gäste empfangen, wobei das Wetter überraschend mitgespielt | |
hat. | |
Die Kneipiers beklagen, dass sie keine Angestellten finden, obwohl sie | |
wegen der Pandemieauflagen mehr Leute als zu normalen Zeiten benötigen. An | |
jedem Eingang muss nämlich jemand postiert werden, der den Impfnachweis und | |
den Ausweis kontrolliert sowie die Kontaktdaten aufnimmt. Deshalb soll es | |
nach dem Willen der Gastwirte ab sofort kein Pups mehr geben. Die Abkürzung | |
steht für „Pandemic unemployment payments“, also Pandemie-Arbeitslosengeld, | |
das eigentlich bis September gezahlt wird. | |
Da es in manchen Fällen höher ist als der Lohn, gebe es keinen Anreiz, an | |
den Arbeitsplatz zurückzukehren, argumentieren die Wirte. Vielleicht | |
sollten sie lieber über die prekären Arbeitsbedingungen nachdenken, die so | |
manche ihren Angestellten zumuten. Vor der Pandemie wurden billige Köche, | |
Kellner und Barleute mit Sondergenehmigungen aus dem Ausland importiert. | |
Mit dem Lockdown fielen die Jobs weg, das Personal musste zurück in die | |
Heimatländer. | |
Padraig Cribben, der Geschäftsführer des Kneipierverbands, ist dennoch | |
froh, dass jetzt wieder ausgeschenkt werden darf. Der Chefmediziner der | |
Regierung, Tony Holohan, sagte jedoch, man solle weiterhin Abstand halten, | |
Masken tragen und Türen und Fenster öffnen. Auf die Öffnung der Türen hatte | |
man ja lange genug gewartet. Deshalb herrschte bei Wirten und Stammgästen | |
große Wiedersehensfreude. | |
## Mike Murphy | |
Manche hatten sich allerdings zu früh gefreut. Ein Gast, nennen wir ihn | |
Mike Murphy, war nach dem Zapfenstreich noch auf einer Party in einem | |
Privathaus auf dem Land. Gegen vier Uhr nachts machte er sich auf den | |
Heimweg – mit dem Auto, obwohl er voll wie eine Strandhaubitze war. Kaum | |
war er losgefahren, da schlief er auch schon ein, und die Fahrt war nach | |
200 Metern jäh zu Ende. Murphy hatte die Friedhofsmauer durchbrochen und | |
ein halbes Dutzend Grabsteine umgemäht. | |
Durch den Aufprall war er auf den Rücksitz gelandet, aber nicht wach | |
geworden. Das wurde er erst zwei Stunden später. Zunächst vermutete er | |
wegen der vielen Grabsteine, dass er verstorben sei. Dann dämmerte ihm | |
langsam, was geschehen war. Flugs rief er ein paar seiner Saufkumpane an | |
und bat sie um Hilfe. Der verkaterten Bagage gelang es, den Wagen wieder | |
auf die Straße zu hieven. Da einer von ihnen Maurer war, reparierte er | |
geschwind die Friedhofsmauer, während die anderen die Grabsteine wieder | |
aufrichteten, damit der Dorfpolizist keinen Verdacht schöpfte. Leider | |
hatten sie vergessen, dass die Party im Haus der Schwester des Polizisten | |
stattgefunden hatte. | |
2 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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