| # taz.de -- Film „Censor“ in den Kinos: Ich sehe was, was du nicht siehst | |
| > In ihrem atmosphärischen Langfilmdebüt taucht die Regisseurin Prano | |
| > Bailey-Bond in die Anti-Horror-Welle der Thatcher-Ära ein. | |
| Bild: Macht einiges mit: Niamh Algar als Enid Baines in „Censor“ | |
| Die Debatte darüber, ob insbesondere explizite Horrorfilme, die extreme | |
| Gewaltdarstellungen in den Fokus rücken, womöglich schädlich für ihr | |
| Publikum sein könnten, ist vermutlich so alt wie das Genre selbst. Unter | |
| Margaret Thatcher wurde sie im Großbritannien der 1980er Jahre, angetrieben | |
| von regelrechten Hetzkampagnen der „Yellow Press“, besonders | |
| leidenschaftlich geführt. | |
| Durch die Zensorin Enid Baines (Niamh Algar) ergründet die britische | |
| Regisseurin Prano Bailey-Bond den Arbeitsalltag des „British Board of | |
| Classification“ (BBFC), das bis heute mit der Freigabe von Filmen betraut | |
| ist. Es ist das Jahr 1984, und durch den „Video Recordings Act“, aufgrund | |
| dessen nun auch VHS-Aufnahmen einer Kontrolle unterzogen werden müssen, hat | |
| die Menge des zu bewertenden Schauermaterials enorm zugenommen. Bis heute | |
| spricht man von den sogenannten Video Nasties, den besonders abgründigen, | |
| blutigen und Gewalt zumindest zelebrierenden Filmen, die bevorzugt unter | |
| der Ladentheke verkauft wurden. | |
| Die zurückgezogen lebende Enid Baines scheint in ihrer eher stumpfen | |
| Tätigkeit einen Daseinszweck gefunden zu haben: Mit stoischer Gelassenheit | |
| sieht sie sich durch eine zeitgerecht große Hornbrille tagtäglich Barbarei | |
| um Barbarei an, notiert sich nüchtern, welche Szenen der Schere zum Opfer | |
| fallen müssen, damit der gesichtete Streifen überhaupt auf den Markt kommen | |
| darf. Der Gedanke, dass sie mit ihrem Job letztlich einen Dienst an der | |
| Gesellschaft leistet, treibt sie an. | |
| Ästhetik von B-Movies | |
| In ihrem Langfilmdebüt adaptiert Bailey-Bond die Ästhetik der gesichteten | |
| B-Movies, bisweilen erwecken die Bilder den Eindruck, als wären sie selbst | |
| einer alten Kassette entsprungen. Ab und an werden sie durch eine | |
| kontrastreiche blau-rote Farbgebung angereichert. Das stimmungsvolle | |
| Sounddesign – oftmals nur aus einem subtilen Rauschen oder nicht | |
| zuzuordnenden Kratzen, Quietschen und Schnarren bestehend – macht „Censor“ | |
| zu einem vor allem in atmosphärischer Hinsicht sehenswerten Film. | |
| Die Handlung selbst dümpelt hingegen lange vor sich hin. Viel Zeit | |
| verwendet das Drehbuch, an dem auch Anthony Fletcher mitgewirkt hat, | |
| darauf, in das besondere – weil selten gezeigte – Setting einzuführen. | |
| Bedauerlicherweise verpasst es der Film, sein Potenzial konsequent | |
| auszuschöpfen. Denn als ein von Enid Baines goutiertes Werk eine blutige | |
| Nachahmertat nach sich zieht, gerät sie unter den öffentlichen Anschuldigen | |
| zunehmend mental unter Druck – und spätestens ab diesem Zeitpunkt | |
| entwickelt sich eine selbst für eine knappe Spielzeit von nur 80 Minuten | |
| zähe Geschichte. | |
| Überzeugt davon, in der neuen Produktion eines besonders umstrittenen | |
| Regisseurs (Adrian Schiller) ihre vor zwanzig Jahren verschwundene | |
| Schwester wiederzuerkennen, irrlichtert die gebrannte Zensorin zwischen | |
| schummrigen Videotheken und dem heimischen Röhrenfernseher umher, um mehr | |
| herauszufinden über Schauspielerin Alice Lee (Sophia La Porta), die dem | |
| polizeilichen Phantombild, das zeigen soll, wie ihre Schwester mittlerweile | |
| aussehen könnte, so verblüffend ähnlich sieht. | |
| Sie macht scheinbar wahllos skurrile Bekanntschaft mit einem schmierigen | |
| Horrorproduzenten (Michael Smiley) und wird schließlich selbst Teil eines | |
| Horrorfilms, bevor „Censor“ in einem furiosen Finale endet, das derart | |
| gelungen ist, dass man sich wünscht, dass zuvor nicht so viel | |
| schiefgegangen wäre. | |
| 29 Jul 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Arabella Wintermayr | |
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