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# taz.de -- EU-Gipfel in Brüssel: „Das betrübt mich etwas“
> Der deutsch-französische Vorstoß zu einem Treffen mit Putin ist
> gescheitert. Annäherung gibt es mit der Türkei: Ankara darf auf
> Milliarden hoffen.
Brüssel taz | Die Europäische Union hat einem Gipfeltreffen mit Russlands
Staatschef Wladimir Putin eine Absage erteilt. Ein deutsch-französischer
Vorstoß zu direkten Gesprächen mit Putin ist nach zweitägigen, hitzigen
Beratungen beim EU-Gipfel in Brüssel gescheitert. [1][Kanzlerin Angela
Merkel] reagierte enttäuscht. „Das betrübt mich etwas“, sagte sie. Selbst
zur Zeit des Kalten Krieges habe es stets Gesprächskanäle mit Russland
gegeben, betonte Merkel.
Für die Kanzlerin war es wohl das letzte EU-Treffen ihrer Amtszeit, die mit
der Bundestagswahl im September endet. Gemeinsam mit Staatspräsident
Emmanuel Macron wollte sie [2][US-Präsident Joe Biden nacheifern, der Putin
Mitte Juni in Genf getroffen hatte]. Es reiche nicht aus, sich von Biden
„briefen“ (informieren) zu lassen, sagte sie. Die EU müsse selbst das
Gespräch mit Putin suchen. Dies sei auch eine Frage der viel beschworenen
Souveränität.
Doch der Plan, der offenbar schlecht vorbereitet war, stieß auf heftigen
Widerstand. Polen, die baltischen Staaten und sogar die Niederlande lehnten
direkte Gespräche ab. Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins
warnte, Zugeständnisse ohne Gegenleistung sehe der Kreml nicht als Zeichen
von Stärke. Vielmehr könnten sie als Belohnung verstanden werden. Merkel
wies das zurück. Bidens Treffen sei auch keine Belohnung gewesen.
Die Gespräche mit Putin sollten sich nach den deutsch-französischen Plänen
vor allem um Themen drehen, bei denen die EU Russland braucht – etwa den
Klimaschutz, das Atomabkommen mit Iran oder Syrien und Libyen. Gleichzeitig
haben Paris und Berlin vorgeschlagen, neue, auch wirtschaftliche Sanktionen
vorzubereiten. Diesen offensiven Teil hat der EU-Gipfel beschlossen, der
Dialog wurde verworfen.
## Erdoğan darf mit neuen Milliarden aus Brüssel rechnen
Damit geht von dem EU-Treffen, anders als von Merkel erhofft, kein
Entspannungs-Signal aus. Vielmehr dürften sich die Beziehungen zu Russland
weiter verschlechtern.
Eine Annäherung zeichnet sich dagegen mit der Türkei ab. Präsident Recep
Erdoğan darf sogar mit neuen Milliardenhilfen aus Brüssel rechnen. Für die
Versorgung von Flüchtlingen und einen verstärkten Grenzschutz sind weitere
drei Milliarden Euro vorgesehen. Im Zuge des umstrittenen Flüchtlingsdeals,
den Merkel 2016 mit Erdogan ausgehandelt hatte, sind bereits sechs
Milliarden Euro geflossen. Dieser Deal soll nun verlängert werden – er wird
zu Merkels Vermächtnis in der Flüchtlingspolitik.
Überschattet wurde der EU-Gipfel von einem heftigen, ungewöhnlich
emotionalen Streit mit Ungarn. Regierungschef Viktor Orban wurde von
Merkel, Macron und den meisten anderen Staats- und Regierungschefs
beschuldigt, [3][LGBT-Menschen zu diskriminieren und damit die Grundwerte
der EU zu verletzen].
„Das war keine diplomatische Diskussion, das war ziemlich konfrontativ“,
sagte Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo. Er habe eine derartige
Auseinandersetzung bei einem EU-Gipfel noch nicht erlebt. Lediglich Polen
habe Ungarn unterstützt – und Slowenien (das am 1. Juli den EU-Vorsitz
übernimmt) „ein wenig“.
Die Niederlande brachten dagegen einen Ausschluss Ungarns aus der EU ins
Spiel. Der wegen diverser Affären angeschlagene niederländische Premier
Mark Rutte rief Orban auf, wie Großbritannien ein Austrittsverfahren nach
Artikel 50 des EU-Vertrags einzuleiten, wenn er die europäischen Werte
nicht achten wolle.
Allerdings kann Rutte Ungarn nicht zum Exit zwingen. Das EU-Recht sieht
keinen Rauswurf aus der Union vor. Der EU-Gipfel kann auch kein
Vertragsverletzungsverfahren wegen der umstrittenen ungarischen
Gesetzgebung einleiten. Dies will nun die EU-Kommission tun. Das Verfahren
kann aber nur zu Geldstrafen führen, nicht zum Ausschluss.
25 Jun 2021
## LINKS
[1] /Letzter-EU-Gipfel-der-Kanzlerin/!5777806
[2] /Treffen-von-Biden-und-Putin-in-Genf/!5774440
[3] /EU-Kommission-verurteilt-Viktor-Orban/!5782774
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Türkei
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Russland
Europäische Union
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Joe Biden
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