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# taz.de -- Blasser Impfstoffkandidat von Curevac: Der gescheiterte Impfstoff
> Die Wirksamkeit des Curevac-Vakzins hat sich in Tests als unerwartet
> schwach erwiesen. Dabei sah die Sache nie so rosig aus, wie sie gemalt
> wurde.
Bild: Hoffnungsträger Curevac: Doch die Testergebnisse enttäuschen
Berlin taz | Nach dem Hype folgt nicht selten der Absturz, doch dass es für
Curevac so schlecht laufen würde, schien undenkbar. Als Nachzügler im
Rennen um ein Covid-Vakzin hatte das [1][Tübinger Unternehmen] immer wieder
auf die besonderen Qualitäten seines mRNA-Impfstoffs verwiesen. Man wollte
ihn für die Entwicklungsländer bereitstellen, hochwirksam, niedrig dosiert
und damit preiswert – und in normalen Kühlschränken haltbar. Und als
mutmaßlicher Entdecker der mRNA-Impftechnologie wurde Curevacs Mitbegründer
Ingmar Hoerr in den vergangenen Monaten nicht knapp medial gefeiert und
sogar als Kandidat für einen Nobelpreis gehandelt. Alle Zeichen standen auf
Erfolg, trotz der Verzögerung in der Impfstoffentwicklung.
Es ist nun anders gekommen. Die vorläufigen Daten der Wirksamkeitsstudie
bescheinigen Curevacs Kandidaten eine mickrige Wirksamkeit von 47 Prozent.
Auf der Hauptversammlung am Donnerstag hat Hoerr doch nicht wie geplant für
den Aufsichtsrat kandidiert. Auch in der finalen Analyse wird der Impfstoff
nur noch schwerlich die für eine Zulassung nötige Mindesteffizienz von 50
Prozent verhinderter Erkrankungen erreichen. Und selbst wenn doch: Als
Vorzeigeprodukt lässt sich das Vakzin nicht mehr verkaufen, vor allem nicht
in den Industrieländern, in denen die Impfkampagnen weit fortgeschritten
sind.
Für die Entwicklungsländer wiederum gibt es bessere Kandidaten mit höherer
Wirksamkeit. Novavax etwa hat vor wenigen Tagen ebenfalls Ergebisse für
seinen kühlschranktauglichen Impfstoff aus Virusproteinen vorgestellt. Das
Vakzin schützt demnach zu mehr als 90 Prozent vor einer Covid-Erkrankung.
Dagegen sieht der Impfstoff von Curevac ziemlich blass aus.
Aber was ist da überhaupt schiefgelaufen? Die Zuständigen haben Erklärungen
angeboten, allen voran werden die zahlreich und global zirkulierenden
Varianten von Sars-2 genannt, unter anderem von Curevac-Vorstandschef
Franz-Werner Haas. „Wir bekämpfen ein nahezu anderes Virus“, sagte der CEO
des Unternehmens vergangene Woche in Bezug auf dreizehn verschiedene
Mutanten, die für die Fälle in der Studie verantwortlich gewesen sein
sollen.
## Curevacs Erklärung hat Haken
Diese Varianten weichen im für die Impfung entscheidenden Merkmal vom
ursprünglichen Wuhan-Virus ab. Einige Mutationen machen es dem Immunsystem
tatsächlich auch etwas schwerer, das Virus abzufangen. In der Studie war
der Anteil von Infizierten mit B.1.1.7., inzwischen „Alpha“ genannt,
besonders hoch. Alpha war im vergangenen Dezember als besorgniserregend
eingestuft worden.
Doch obwohl die Erklärung mit den Varianten recht einleuchtend klingt, hat
sie einen großen Haken: Gerade gegen Alpha, aber auch gegen andere
Varianten wie die aktuell gefürchtete Delta-Mutante, ist der mRNA-Impfstoff
von Biontech hochwirksam. So zeigte eine Analyse von mehr als 14.000
Geimpften in Großbritannien erst vor wenigen Tagen, dass Biontechs Vakzin
nach zwei Dosen für Alpha wie Delta sowohl vor symptomatischen Erkrankungen
als auch vor Krankenhauseinweisungen schützt. Dass mRNA-Impfstoffe ein
prinzipielles Problem mit den bislang beobachteten Mutanten haben, ist
jedenfalls nicht ersichtlich.
## Problem liegt im Design
Könnte es an der geringen Dosierung von 12 Mikrogramm mRNA je Dosis gelegen
haben, die deutlich unter den 30 und 100 Mikrogramm der Impfstoffe von
Biontech und Moderna liegt? Auch das ist nicht ganz so einfach, wie es
klingt. Zwar ist die Dosierung möglicherweise zu gering, um eine
ausreichend starke Immunantwort gegen Sars-2 zu provozieren. Aber eine
höhere Dosis konnte Curevac im Gegensatz zur Konkurrenz offenbar nicht
wählen. In vorangegangenen Studien hatte sich gezeigt, dass der Körper der
Probanden bei höheren Dosierungen zu stark auf den Impfstoff reagiert und
Nebenwirkungen erzeugt. Und damit ist man auch schon beim mutmaßlich
zentralen Punkt: Dem Design des Impfstoffs selbst.
Zwar bauen alle mRNA-Imfpstoffe auf dem gleichen Prinzip auf, sie schleusen
Bauanleitungen für das Stacheleiweiß von Sars-2 in menschliche Zellen.
Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen der mRNA im
Impfstoff von Curevac und jener in den Vakzinen der zwei erfolgreichen
Konkurrenten. Biontech und Moderna nutzen eine chemisch stabilisierte mRNA,
in der ein von menschlichen Zellen besonders eisern bekämpfter Baustein
ausgetauscht wurde. Lesbar ist die mRNA für die Zellen zwar immer noch, sie
wird aber vom Körper nicht mehr oder weniger stark attackiert. Curevac
dagegen setzte stets auf „natürliche“ RNA ohne modifizierte Bausteine, mit
der Begründung, man könne diese mRNA über Feinheiten in den Sequenzen
optimieren.
## Wenig publiziert
Nachvollziehbare Details über die Forschungen des Tübinger Unternehmens
sind jedoch schwer einzusehen, denn die dort tätigen Wissenschaftler
publizieren nur wenig. So hat Ingmar Hoerr, auf dessen Forschung das
Impkonzept von Curevac aufbaut, im Laufe seiner Karriere lediglich an einem
guten Dutzend Originalpublikationen mitgewirkt, als Forscher ist er damit
so gut wie nicht existent. Die Zahl seiner Patente beläuft sich dafür auf
600, so steht es in einem gerade erschienenen Buch über Hoerr und seine
Karriere. Ein Kapitel darin heißt „Road to Stockholm“.
Doch abgesehen von der wohl doch nebensächlichen Frage, wer nun einen
Nobelpreis erhält für die Idee von mRNA als Impfstoff, die in dieser
Pandemie wohl Millionen Leben retten wird, aber schon 1990 von US-Forschern
formuliert wurde: Wie es nun mit dem Vakzin des vorab gefeierten Tübinger
Biotech-Unternehmens weitergeht, ist nicht ausgemacht. Bislang sieht
Curevac keinen Anlass, aus dem Rennen um den Corona-Impfstoff auszusteigen.
Wenn die abschließende Analyse der Studie etwas besser ausfällt, will man
trotz allem mit dem ersten Kandidaten weitermachen, so hieß es zumindest
vor der Hauptversammlung am Donnerstag. Falls nicht, gibt es bereits einen
zweiten, offenbar etwas anders aufgebauten Impfstoff, der bislang nur an
Affen getestet wurde. Das aber angeblich mit sehr vielversprechenden
Ergebnissen.
25 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.curevac.com/
## AUTOREN
Kathrin Zinkant
## TAGS
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