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# taz.de -- Die Wahrheit: Stark wie ein Rottweilergebiss
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (125): Als
> Greifvogelkönigin fristet die Harpyie oft ein tristes Dasein in
> Gefangenschaft.
Bild: Im schönen Panama zu Hause: diese Harpyie
Soeben erreichte uns eine traurige Nachricht: „Harpyien sind bedroht: Die
großen Greifvögel des Amazonas-Regenwalds haben wegen des Raubbaus am Wald
zunehmend Mühe, ihre Jungen zu ernähren.“
Im Ostberliner Tierpark gab es mal in einer Voliere zwei Harpyien, nun bloß
noch eine. Sie sitzt meist traurig auf einem Baumstumpf. Ihre Voliere ist
viel zu klein für diesen großen Vogel, der Jagd auf Tiere macht, die in
Baumkronen leben. In einer Landschaft ohne Bäume kommt er nicht zurecht. In
seiner Voliere kann er sich nur von seinem Baumstumpf auf ein unten
hingelegtes totes Hühnerküken stürzen.
Ich habe ein Foto von einem Mann, der sich einen Harpyienkopf aufgesetzt
hat – dachte ich zuerst, es war aber der Kopf einer lebenden Harpyie aus
Mittel- oder Südamerika. Die SZ schreibt, dass einst die Harpyien die
Sturmwinde verkörperten – und zitierte dazu Hesiod über die Harpyien
Okypete und Aello: hässliche und gemeine Mischwesen aus Frau und Vogel,
„welche der Wind Anhauch und himmlische Vögel erreichen, Rasch mit der
Fittiche Schwung, denn sie heben sich über die Lüfte hin“.
Sie sollen laut Hesiod gleich nach der Geburt fliegen können. Das stimmt
aber nicht. Laut Wikipedia besteht ein Harpyien-Gelege aus „ein bis drei
weißen Eiern und wird vom Weibchen bebrütet. Sobald das erste Junge
geschlüpft ist, werden die anderen Eier nicht weiter bebrütet, sie sterben
ab. Es wird immer nur ein Jungvogel aufgezogen“ – alle zwei Jahre. „Der
Jungvogel wird bis zum Alter von etwa 70 Tagen vom Weibchen bewacht. Das
Männchen versorgt das Jungtier und das Weibchen währenddessen mit Nahrung.“
## Faultier und Nasenbär
Leider haben es die Männchen dabei auf die freundlichen Faultiere und die
von mir besonders geschätzten Nasenbären abgesehen. Gemeinhin werde ich
damit beruhigt, dass man mir sagt: „So ist eben die Natur – unerbittlich“,
„ohne Moral“, etc. Dabei bemitleide ich konkret eher die einsame Harpyie
„Vitoria“ in ihrer Tierparkvoliere.
Auch der Westberliner Zoo besaß eine Harpyie, wenn man der 1000-seitigen
Studie/Story „Abwesende Tiere“ (2002) des Schriftstellers Martin Kluger
folgt, die vor allem von den Ränken und Leiden des Zoo-Personals handelt.
Ein Pfleger meinte dort einmal laut Kluger: „Tiere und Wissenschaft – das
geht nicht zusammen, gehe nie zusammen, ebenso wenig wie Menschen und
Ärzte, weil es keine Sprache, keine Verständigung gebe zwischen Opfern und
Tätern (so drückte er sich aus).“ Und „Mitleid sei ein Trick der Täter.�…
Das war zu Zeiten „als der Zoologische Garten in Charlottenburg noch einen
Kolkraben in Einzelhaft hielt“ – zusammen mit einer „kranken Harpyie in
einem winzigen Käfig“. Diesen Käfig stelle ich mir noch viel kleiner vor
als die Voliere im Tierpark, was dessen Direktor aber nicht entschuldigt.
Kluger widmete sich im Folgenden leider nicht der Harpyie, sondern dem
Kolkraben. Aber das ist seine Sache.
Es gibt noch einen Roman, der „Die Harpyie“ heißt – von der Autorin Megan
Hunter: „Als Lucy erfährt, dass ihr Ehemann Jake sie betrügt, soll eine
verhängnisvolle Abmachung die Ehe retten: Drei Mal darf Lucy Jake
bestrafen. Wann und auf welche Weise, entscheidet sie. Ein gefährliches
Spiel zwischen Rache und Vergebung entbrennt – und schließlich erwacht eine
Seite in Lucy, die schon immer tief in ihr geschlummert hat …“ Kurzum: Sie
wird zu einer zwar gut aussehenden, aber bösen Harpyie.
## H wie Habicht
Das hilft uns hier jedoch nicht weiter: Diese Splatter-Geschichte einer
„Verwandlung“ ist eher ein Rückschritt in der Harpyien-Forschung. Zudem hat
die Falknerin Helen McDonald in ihrem Buch „H wie Habicht“ (2016) bereits
geschildert, wie ihre Hingabe beim Abrichten des Habichtweibchens „Mabel“
ihre „Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit“ ungut verschwimmen ließ.
Ein Jahr vor der Veröffentlichung der Studie über den Rückgang der
Harpyien-Population schrieb herz-fuer-tiere.de: Diese größten und stärksten
Greifvögel „stehen schon auf der Vorwarnstufe der bedrohten Arten. Lesen
Sie hier, was Harpyien so faszinierend macht.“
[1][Das tat ich]: „Für Menschen werden die scheuen Vögel kaum zur Gefahr –
nur, wenn sie ihre Brut bedroht sehen, verteidigen weibliche Harpyien ihr
Nest vehement. Mit Krallen so stark wie das Gebiss eines Rottweilers.“
## Die armen Nasenbären
Schon Hesiods Harpyien schrieb man eine solche Vehemenz zu. „Bei der Jagd
gleiten Harpyien durch die Luft. Sobald sie ein Beutetier entdecken, gehen
sie in den schnellen Sinkflug, packen und töten es innerhalb eines
Flügelschlags.“
Die armen Nasenbären. Das Foto der Herz-für-Tiere-Redaktion zeigt ein
Harpyien-Nest in einer Baumgabel mit Blättern drumherum, was darauf
hindeutet, dass die Harpyien das Nest in ihrem Revier öfter oder immer
wieder benutzen. Der WWF weiß: „Die Jagdreviere der Harpyien sind bis zu
100 Quadratkilometer groß.“ Die internationale Tierschutzorganisation weiß
aber auch, dass bei den Harpyien Männchen und Weibchen nicht, wie die
Zoologen oft „ihren“ Tieren andichten, so lange in ihrem Revier
zusammenleben – bis das der Tod sie scheidet: „Harpyien sind in der Regel
Einzelgänger und leben nur zur Jungenaufzucht als Paar zusammen.“
Weiter schreibt der WWF: „[2][Langfristig werden die Harpyien vermutlich
nur überleben, wenn es gelingt, ausreichend große Flächen des tropischen
Regenwaldes unter Schutz zu stellen].“ Deswegen will die vornehmlich von
Reichen finanzierte Stiftung das „Juwel am Amazonas: 50 Millionen Hektar,
eine Fläche so groß wie Spanien, im Amazonas-Regenwald dauerhaft unter
Schutz stellen.“ Dem steht die sogenannte „Holzmafia“ entgegen, das heiß…
Ökonomie gegen Ökologie.
## In Marokko
Für die Anhänger des Letzteren hat der Zeiss-Konzern in Oberkochen ein
neues „Spektiv“ mit dem Namen „Victory Harpyie“ entwickelt, das bei kei…
„Bird-Watcher“ fehlen darf, selbst wenn er hinter den auffälligen, weil
riesigen Harpyien (mit einer Flügelspannweite von bis zu zwei Metern) her
ist. Die Carl Zeiss AG, die selbst ein „Birding Team“ unterhält (mit einem
Schutzprojekt für die „letzten Waldrappen in Marokko“), ergänzte ihre
Spektiv-Vorstellung mit einem Artikel über das Leben und Sterben der
Harpyien, in dem es u. a. heißt: „Von den Harpyien soll es nur noch 50.000
Exemplare geben.“
Um sich vor Ort von der bedrohlichen Situation der Harpyien zu überzeugen,
fuhr das Birding Team zum „Harpy Eagle Quest“ nach Panama – und beteiligte
sich dort an einer der „Harpyien-Expeditionen“: „Sie bekamen einen
Jungvogel zu Gesicht und konnten ihn in Ruhe beobachten. Mit dem passenden
Digiscoping-Zubehör des Zeiss Spektivs entstanden beeindruckende
Nahaufnahmen.“
Im Vogelpark Walsrode erfuhr ich kürzlich, dass der Ostberliner Tierpark
seine zweite Harpyie, „Vito“, an den Nürnberger Tierpark abgegeben hatte
und der sie dann in den Vogelpark Walsrode „einstellte“. Aber dann
entschied der Harpyien-Zuchtbuchführer, dass der Vogel wieder zurück nach
Nürnberg müsse. Von dort aus wurde er nach Brasilien verschickt, um
ausgewildert zu werden. „Vito“ ist also weit herumgekommen.
12 Jul 2021
## LINKS
[1] https://herz-fuer-tiere.de/wildlife/wissen/die-harpyie-der-staerkste-greifv…
[2] https://www.wwf.at/de/harpyie/?useMobile=false
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
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