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# taz.de -- Japanischer Baseballprofi in den USA: Ein Mann für alle Bälle
> Shohei Ohtani trat beim Allstar-Game des Baseballs in Denver doppelt an:
> als Pitcher und als Batter. Der Japaner ist die Sensation der MLB.
Bild: Kann links und rechts stehen: Shohei Ohtani
Seit 1933 treten die besten Baseball-Profis einmal im Jahr gegeneinander
an. In keiner anderen Sportart in Nordamerika hat das Allstar-Game eine so
lange Tradition, aber das, was am Dienstagabend in Denver passierte (nach
Redaktionsschluss), hat es noch nie gegeben: Zuerst sollte Shohei Ohtani
als Pitcher das Spiel für die Auswahl der American League beginnen – und
dann als Batter versuchen, die Würfe der Gegner von der National League mit
dem Schläger in Punkte zu verwandeln.
Der gleichzeitige Auftritt in Defensive und Offensive beim alljährlichen
Schaulaufen der beiden Major Leagues stellte eine Premiere dar – und es war
der vorläufige Höhepunkt einer Saison für den japanischen Superstar, wie es
sie im Baseball seit den Zeiten des legendären [1][Babe Ruth] nicht mehr
gegeben hat. Ohtani schaffte in dieser Spielzeit bereits 33 Homeruns, so
viel wie niemand sonst, und ist damit der gefährlichste Hitter.
Zugleich ist er aber auch noch einer der besten Pitcher: Nur wenige werfen
so hart, bis zu 165 Stundenkilometern, und zugleich so genau, um zu
verhindern, dass die Hitter punkten können. Sollte Ohtani diese Form bis
zum Saisonende Anfang Oktober halten können, haben die Statistiker
ausgerechnet, könnte schlussendlich die beeindruckendste Saisonleistung in
der mehr als anderthalb Jahrhunderte langen Geschichte des professionellen
Baseballs stehen.
Solche Meilensteine sind nichts Neues für Ohtani. Noch in Japan war der
heute 27-Jährige der unangefochtene Star der dortigen Profiliga, die als
die spielstärkste nach der MLB gilt – und auch dort schon als Pitcher und
Hitter. In seinem Heimatland, wo Baseball weit populärer als Fußball ist,
war er bereits als Teenager bekannter als Cristiano Ronaldo und Lionel
Messi zusammen.
## Der neue Babe Ruth
Doch nach seinem Wechsel in die USA zu den Los Angeles Angels vor drei
Jahren hatte Ohtani Probleme, die hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen.
Immer wieder setzten ihn Verletzungen außer Gefecht. Bei der höheren
Belastung in den USA mit einer längeren Saison mit mehr Spielen auf höherem
Niveau schien sein Körper die Doppelrolle nicht mehr bewältigen zu können.
Bis zu dieser Spielzeit, in der Ohtani nun die größte Sensation der MLB
ist. Wie ein Wanderzirkus ziehen die – ansonsten in der Tabelle abgehängten
– Angels mit ihrem Aushängeschild durch die Stadien, gefolgt von einem
Pressetross, der verstärkt wird durch Reporter und TV-Teams aus Japan.
Ohtanis überdurchschnittlich weite Homeruns werden live in den fernen Osten
übertragen, seine mit extremem Spin versehenen Kurvenbälle bestaunt, und
mancher fühlt sich an den allergrößten Namen aus der Geschichte des
Baseballs erinnert, zum Beispiel Joe Maddon. „Wir alle haben schon mal mit
dem Gedanken gespielt, wie es wäre, heute Babe Ruth spielen zu sehen“,
sinnierte kürzlich der Trainer der Angels mit Blick auf den Star seiner
Mannschaft. „Dabei sind wir mittendrin in dieser Fantasie. Wir sollten
nicht geringschätzen, was wir gerade miterleben dürfen.“
Maddon ist nicht der Einzige, der Ohtani in eine Reihe stellt mit der
amerikanischen Ikone Babe Ruth, der zu seiner Zeit ebenfalls der größte
Homerun-Hitter und lange Jahre zudem ein überragender Pitcher war.
Diese Vergleiche haben allerdings nicht nur eine sporthistorische
Dimension, sondern auch eine [2][akute gesellschaftliche]: In einer Zeit,
in der rassistische Übergriffe auf US-Amerikaner mit asiatischen Wurzeln
zunehmen, nicht zuletzt weil ein ehemaliger Präsident nicht müde wurde,
Covid-19 als „chinesisches Virus“ zu bezeichnen, trägt der Erfolg von
Ohtani zu einer Entspannung der Lage bei.
Ein paar Tage vor dem Allstar-Spiel schickte die New York Times einen
Reporter durch die asiatischen Communitys, der zurückkam mit der
Erkenntnis, dass Vorurteile und Rassismus zugenommen haben. Aber auch mit
der Einschätzung, dass „Ohtanis spektakuläre Leistungen einen beruhigenden
Effekt haben“.
Ohtani selbst äußert sich nicht zum Thema. Auch nach drei Jahren in den USA
spricht er nicht selbst, sondern nur durch einen Übersetzer. Und den lässt
er meist nur Floskeln mitteilen. Denn da hören die Vergleiche zu Babe Ruth
dann doch auf. Während der nicht nur ein großer Spieler, sondern auch ein
großer Maulheld, Schürzenjäger und Trinker war, verbirgt Ohtani seine
Emotionen und sein Privatleben geschickt vor der Öffentlichkeit. Wenn er
nicht Baseball spielt, dann lächelt er höflich. Während er Baseball spielt,
guckt er sehr konzentriert. Dienstagnacht in Denver.
14 Jul 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Thomas Winkler
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