# taz.de -- Nächstes EM-Spiel der Three Lions: England bucht Heimflug | |
> Mit 4:0 schlagen die Engländer die Ukraine. Letztere waren froh, dass sie | |
> dabei waren. Und die Three Lions träumen vom EM-Titel in Wembley. | |
Bild: Mit der Picke: Harry Kane hat sämtliche Technikkniffs drauf | |
Die Hymne dieses Spiels handelt vom Heimkommen. „It’s Coming, Football’s | |
Coming Home“, so dröhnt es vor, während und nach der Partie durchs | |
Olympiastadion von Rom aus vom Bier elastischen Stimmbändern Tausender | |
englischer Fans, die wegen des Einreiseverbots von der Insel vor allem aus | |
dem europäischen Exil stammten. Zu ihnen kommt der Fußball im Halbfinale | |
also gerade nicht. Aber die Heimkehr ist natürlich auch eher eine | |
spirituelle. Dass das englische Team im Wembleystadion am Mittwoch den | |
allerersten Einzug in ein EM-Finale der Männer erreichen würde, das ist | |
einerseits ein Novum, aber eigentlich ein Kreis, der sich schließt. | |
Trainer Gareth Southgate, der, wie die deutschen Kommentatoren nicht müde | |
werden zu wiederholen, 1996 bei der Heim-EM im Halbfinale gegen Deutschland | |
den Elfmeter verschoss, war Teil einer der vielen hoch veranlagten | |
englischen Generationen, die keinen Titel holen konnten. Der Misserfolg der | |
Einzelkönner war fast schon Folklore. Nach Jahren der Mittelmäßigkeit | |
erntet man nun die Früchte der wieder stark verbesserten Jugendarbeit, ein | |
Team, das viel stärker im Kollektiv arbeitet als die Götter der Generation | |
Beckham; und nebenbei reifer, politisch verantwortungsbewusst auftritt. | |
Und immer geht es bei solchen Kreisläufen auch um Schmerzen. Von „thirty | |
years of hurt“ weiß „Football’s Coming Home“, und von Schmerzen sprach… | |
Gareth Southgate viel nach dem ungefährdeten 4:0-Sieg über die Ukraine. | |
„Teams müssen Schmerz durchleben, um voranzukommen. Wir hatten viele | |
schmerzhafte Abende in den letzten Jahren. Wir haben aus allem gelernt.“ | |
Erfolg im Fußball ist immer auch eine funktionierende Selbsterzählung. | |
Schmerzhaft war dieser Abend hingegen vor allem für die Ukraine, die sich | |
ebenso Historisches vorgenommen hatte. Viele AnhängerInnen hatten die für | |
dortige Verhältnisse teure Anreise auf sich genommen, um die erste | |
ukrainische Mannschaft der Geschichte zu sehen, die unter Nationalheld | |
Andrej Schewtschenko („der bekannteste Ukrainer der Welt“, so die Zeitung | |
Den stolz) ins Viertelfinale eingezogen war. Man konnte auch erahnen, wie | |
sein Matchplan ausgesehen hätte: hinten betonieren, vorne aufs Glück | |
lauern, und dann in der 80. Minute ein Tor. | |
## Eigentlich war es für die Ukraine nach vier Minuten vorbei | |
Wenn man allerdings in der vierten Minute nach Steilpass von Raheem | |
Sterling gleich das 0:1 durch Harry Kane bekommt, wird das alles sehr | |
schwer. Und vor allem wird es schwer, wenn es keinen zweiten Plan gibt. Die | |
Ukraine mochte sich von ihrem Abwehrbollwerk nicht lösen, konnte es | |
mutmaßlich auch nicht, weil sie genug damit zu tun hatte, | |
Schadensbegrenzung gegen die überlegenen Engländer zu betreiben. Außer | |
einem Schuss von Yaremchuk kam sie gegen die wieder glänzende englische | |
Defensive zu überhaupt keiner ernsthaften Torchance. | |
So ungleich waren die Verhältnisse, dass trotz des erst in der zweiten | |
Halbzeit folgenden englischen Torregens eigentlich nach vier Minuten alles | |
klar war. Damit ist das Halbfinale – entgegen den ganzen | |
[1][Underdog-Gesängen] der letzten Tage – geradezu klassisch mit dem Grand | |
Establishment England, Spanien und Italien besetzt. Ein Establishment | |
allerdings, das samt und sonders aus Krisenjahren kommt, Renaissance-Teams | |
eher, Teams des Neuaufbaus. Außer Italien waren sie eben nicht ganz oben | |
auf den Listen sogenannter ExpertInnen. | |
Das englische Team war im Gegensatz zu den chronisch zerstrittenen | |
Franzosen oder den kaum je harmonierenden Deutschen auch deshalb so stark, | |
weil es so kompakt arbeitet. „Es ist eine Kollektivleistung“, sagte | |
Southgate, angesprochen auf die Abwehr, die immer noch kein Gegentor im | |
Turnier kassiert hat. „Es geht nicht um vier Spieler. Schon die Vorderleute | |
arbeiten hart, Angriffe zu stoppen, gehen in die Räume.“ | |
Und wenn nicht etwas völlig Verrücktes passiert, dürften diese sehr | |
ausgeglichenen, abgebrühten Engländer in Wembley auch die Dänen besiegen, | |
[2][Eriksen-Mythos] hin oder her. Nach einer eher mühsamen Vorrunde spielt | |
das Team sich immer weiter frei. Gareth Southgate wies darauf hin, dass er | |
schon während des Spiels ans kommende Halbfinale gedacht habe. „Heute Nacht | |
hat Spaß gemacht, aber wir sind noch nicht zufrieden.“ | |
Weniger vermutlich als die Ukraine, deren Fans trotz des chancenlosen | |
Auftritts mindestens so feierten wie die Engländer. Southgate warnte dann | |
aber vorsichtshalber doch: „Wir gewinnen das Halbfinale nicht allein | |
deshalb, weil wir zu Hause spielen.“ Heimkehr hin oder her. | |
4 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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