# taz.de -- Frauenrechte in der Türkei: Erdoğans Istanbulgate | |
> Der türkische Präsident drängt auf Vollmitgliedschaft in der EU. | |
> Gleichzeitig hebelt er den Schutz von Frauen aus und treibt die | |
> Islamisierung voran. | |
Bild: Türkei, Istanbul am 19. Juni: Protest gegen den Austritt der Türkei aus… | |
Es ist keine zwei Wochen her, da hat der türkische Präsident wiederholt die | |
Vollmitgliedschaft seines Landes in der EU gefordert. „Wir erwarten von der | |
Union, dass sie die strategische Blindheit, in die sie verfallen ist, | |
sofort ablegt“, sagte Recep Tayyip Erdoğan. Und es ist keine drei Monate | |
her, da hatte derselbe Mann den Austritt seines Landes aus der | |
Istanbul-Konvention per Dekret verfügt; seit Juli unterstützt die Türkei | |
nun nicht mehr den Schutz von Frauen vor jeglicher Gewalt. | |
Was auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hat, hängt allerdings | |
sehr eng zusammen. Ein Land, das ein vollwertiges Mitglied der EU sein | |
will, hat Menschenrechte zu wahren, auch und erst recht die [1][Rechte von | |
Frauen]. Erdoğan indes betreibt eine gegenteilige Politik. Das zeigt nicht | |
nur der Austritt aus der 2011 vom Europarat ausgearbeiteten | |
[2][Istanbul-Konvention], die Frauen vor häuslicher und | |
Partnerschaftsgewalt schützen und Gleichberechtigung vorantreiben soll. | |
Erdoğan fordert Familien dazu auf, mindestens drei Kinder zu bekommen. Er | |
will Frauen dazu zwingen, Kopftuch zu tragen. | |
Nun will nicht jede Frau Kinder bekommen, auch wollen nicht alle Frauen in | |
der Türkei einen Teil ihren Kopfes verstecken. Mittlerweile tun das aber | |
wieder zwei von drei Frauen – ob freiwillig oder nicht. | |
Frauenrechtler:innen fürchten, dass mit dem Austritt aus der | |
Konvention die Zahl misshandelter Frauen und der Femizide steigen wird. | |
Erdoğans Vorgehen ist ein klares Signal an konservative Kreise in der | |
Türkei und ein deutliches Zeichen für die von ihm vorangetriebene | |
Islamisierung der Gesellschaft. Wie gering er Frauen schätzt, hatte Anfang | |
April auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erfahren. Während | |
EU-Ratspräsident Charles Michel neben Erdoğan auf einem Sessel Platz nehmen | |
durfte, wurde von der Leyen das abseits stehende Sofa zugewiesen. Sowohl | |
[3][„Sofagate“] als auch „Istanbulgate“ befördern die Beitrittsgesprä… | |
Türkei-EU nicht gerade. Im Gegenteil: Erdoğan drängt die Türkei immer | |
weiter von der EU weg. | |
1 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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