# taz.de -- Hausprojekt Liebig 34: Aktivist und Anwalt | |
> Moritz Heusinger vertritt das queer-feministische Hausprojekt in | |
> Berlin-Friedrichshain juristisch. Es geht ihm um eine bunte und freie | |
> Stadt. | |
Bild: „Politisch nicht weit entfernt“ von der Hausbesetzungszene: Moritz He… | |
Selbst wo es laut wird oder gar handgreiflich, bleibt Moritz Heusingers | |
helle Stimme ruhig und sachlich. Tumult hat der Anwalt mit dem | |
graumelierten Haarzopf schon viel erlebt, seit er 2018 das Mandat für die | |
besetzte Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain übernommen hat. | |
Auch als er am Dienstag gemeinsam mit Bewohnerinnen des symbolträchtigen | |
queerfeministischen Hausprojekts vor die Presse trat, um über die drohende | |
Räumung am Freitag zu sprechen, griff die Polizei ein. [1][Als „illegale | |
Schutzbewaffnung“ galt den Beamten der Helm, den eine der | |
Bewohner*innen zu ihrem Krokodilskostüm getragen hatte]. | |
„Ich bin bei dem Fall nicht wirklich entspannt, das ist nur meine | |
berufliche Hülle“, sagt Heusinger wenig später der taz. „Im Privaten werde | |
ich sauer und bin zutiefst berührt.“ Denn, so erklärt der 54-Jährige, er | |
sei „politisch nicht weit entfernt“ von der Hausbesetzungszene. | |
„Ich erlebe in Berlin eine drastische Verschärfung der Diskrepanz zwischen | |
arm und reich.“ Sich Berlin leisten zu können, sei nicht mehr | |
selbstverständlich, sagt Heusinger, dabei habe er die Stadt ursprünglich | |
als bunt und frei kennengelernt. | |
## Alternative Räume schützen | |
Anfang der Neunzigerjahre kam Heusinger, der sein Jurastudium in Marburg | |
begonnen hatte, an die Freie Universität Berlin und machte in der | |
Brunnenstraße 6/7 Bekanntschaft mit dem Häuserkampf. Wie die Liebig 34 und | |
andere leerstehende Objekte in Ostberlin wurde dieser Komplex 1990 besetzt. | |
Als fertiger Anwalt mit Prädikatsexamen verteidigte Heusinger schließlich | |
immer wieder selbstverwaltete Häuser vor Gericht. Die [2][Rosenthaler | |
Straße 68] ist ein Beispiel oder die [3][Brunnenstraße 183]. Es gehe ihm | |
dabei darum, Räume zu schützen, die „Andersdenken“ und kreative | |
Lebensformen ermöglichten. | |
„Ich setzte verstärkt auf die juristische Durchsetzung. Aber es geht auch | |
um Aufmerksamkeit. Sang- und klanglos dürfen diese Freiräume nicht | |
verschwinden“, erklärt Heusinger. Aufmerksamkeit erregten die Liebig | |
34-Verhandlungen in jedem Fall. | |
Ein erster Prozesstermin wurde abgebrochen, nachdem sich zwei Bewohnerinnen | |
im [4][Gerichtssaal die Kleidung von Oberkörper rissen]. Beim nächsten | |
Termin im Januar stellte Heusinger einen Antrag auf Befangenheit des | |
Richters, weil dieser nur männliche Anredeformen genutzt hat. „An der | |
Grenze zum Querulantentum“, nannte der Ex-Präsident des Anwaltsvereins | |
diese Argumentation. | |
## „Gewalt gegen Sachen mehr als nur verständlich“ | |
Für Aufmerksamkeit sorgte auch der Brand, der am Auto des Eigentümeranwalts | |
gelegt wurde und anfang dieser Woche ein Anschlag auf Kabelanlagen der | |
S-Bahn im Osten der Stadt. „Gewalt gegen Sachen halte ich nicht für | |
legitim“, so Heusinger, „aber für doch mehr als nur verständlich.“ | |
Beim Räumungstermin am Freitagmorgen wird Heusinger versuchen, den | |
Gerichtsvollzieher davon zu überzeugen, dass eine Räumung der Liebig nicht | |
rechtens wäre, weil ein Wohnmietverhältnis bestehe und der falsche | |
Hausverein beklagt worden sei. Inmitten des zu erwartenden Chaos wird er | |
ruhig und sachlich bleiben. | |
7 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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