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# taz.de -- Kroatiens Mittelfeldstar: Der mit dem Außenrist
> Luka Modrić ist schon 35 Jahre alt. Beim 3:1-Sieg Kroatiens über
> Schottland zeigte der Mittelfeldspieler einmal mehr, warum er ein
> Superstar ist.
Bild: Er macht das Spiel zu seiner ganz eigenen Angelegenheit: Luka Modrić
Es ist nicht bekannt, wo der Fußballtrainer Rafael Benítez aktuell die
EM-Spiele verfolgt. Aber auch um ihn ging es wieder einmal in den
Gesprächen nach dem 3:1 Kroatiens gegen Schottland. Es gibt da schließlich
diese Anekdote, wie er sich während seiner kurzen Amtszeit bei Real Madrid
selbst diskreditierte, als er Luka Modrić im Training anhielt, weniger den
Außenrist zu benutzen. Könne ein Pass auch einfach gespielt werden, dann
bitte keine unnötigen Girlanden, so Benítez. Die Real-Profis schauten sich
verblüfft an und begannen zu kichern. Modrić ohne Außenrist?
Womöglich gibt es in der ganzen Geschichte keinen Spieler, der diese
besondere Delikatesse so beherrscht wie der kroatische Weltfußballer von
2018. Zumindest für Modrić-Connaisseure war der weitere Handlungsablauf
also zu erahnen, als in der 62. Minute beim Spielstand von 1:1 des
entscheidenden EM-Gruppenspiels in Schottland ein Querpass von Mateo
Kovačić in seine Richtung kullerte. Quasi eine Benítez-Situation, denn
Modrić, mittlerweile 35, hätte problemlos mit Spann oder Innenrist schießen
können. Aber nein, er holte mit dem rechten Fuß aus, drehte ihn vor den
linken und zirkelte den Ball hart ins Eck. Das Tor war von so definitiver
Klasse, dass der Glasgower Hampden Park verstummte und selbst die
unermüdlichen Schotten ihre Bemühungen einstellten. Kroatien steht im
Achtelfinale.
Der [1][Vize-Weltmeister von 2018] erlebte bis zu dieser 62. Minute kein
einfaches Turnier. Man beklagte sich über die zwei Auswärtsspiele in der
Gruppe bei England und Schottland, musste wegen der strengen Coronaregeln
in Schottland das dort geplante Teamquartier stornieren und kam irgendwie
nicht so recht in die Gänge. Aber der kleine, vermeintlich schüchterne
Modrić ist auf dem Platz ein furioser Leader, den Grenzsituationen zu
Bestleistungen anspornen. Zwar streute er in Glasgow auch mal ein paar
gefährliche Ballverluste ein, aber vor allem schaffte er mit seinen Pässen
und Spielverlagerungen immer wieder die Ruhepausen, die Kroatien die
Kontrolle über das Geschehen ermöglichten.
## Das Spiel zur persönlichen Sache erklärt
Die Abwehr ist anfälliger als 2018, doch die Routine, mit der die Kroaten
den hochmotivierten Gegner entschärften, wird sie auch im Achtelfinale am
Montag in Kopenhagen zu einem unangenehmen Konkurrenten machen. Zumal sie
immer noch über außerordentliche Einzelspieler verfügen. Da ist Ivan
Perišić, der das 3:1 erzielte. Da ist Nikola Vlašić, international immer
noch etwas unter dem Radar, weil er in Russland beim ZSKA Moskau spielt:
eine exzellente Halbspitze, die das Spiel unberechenbar macht und das 1:0
erzielte. Und da ist eben – Modrić. Der Spielmacher erhob die Partie zu
seiner persönlichen Sache, er war beinah überall, nah dran am „Total
Footballer“, der Johan Cruyff zum Vorbild hatte. Lange trug er Cruyffs
Rückennummer 14. Lange schuftete er als Kriegsflüchtling auf einem
Hotelparkplatz in [2][Zadar] so ausdauernd an seinem Talent, dass ein
Angestellter dem kroatischen TV sagte: „Luka zerschoss mehr Fensterscheiben
mit seinem Ball als die Serben mit ihren Bomben.“
Es ist wohl auch seine schwierige Biografie, die ihn so unermüdlich gemacht
hat. Wenige Spieler haben im körperlich anspruchsvollen Mittelfeld je
solches Talent und solche Beharrlichkeit vereinbart. In Madrid war er diese
Saison der Feldspieler mit den drittmeisten Einsatzminuten. „Ich weiß, dass
ich nicht ewig bin, deshalb möchte ich jeden Moment genießen“, erklärte
Modrić, der dafür jenseits des Teamtrainings noch privat mit einem
kroatischen Kinesiologen arbeitet.
Über ein Karriereende denkt Modrić bisher nicht einmal nach. Bei Real
Madrid hat er seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Danach steht
die WM 2022 in Katar an. Er allein wird sagen, ob er sie spielt, niemand in
Kroatien würde dem größten Fußballer der Landesgeschichte da irgendetwas
vorschreiben. Und wenn man ihm so zusieht, dann ist die Entscheidung
wahrscheinlich schon gefallen. Modrić spricht mit Gesten wie nach dem
Schlusspfiff, als er in die Knie ging, die Augen schloss und die Fäuste
ballte. Und nicht zuletzt spricht er mit seinem Außenrist.
23 Jun 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Florian Haupt
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