# taz.de -- Macht und Fußball in Nordmazedonien: Nur eine Blume im Garten | |
> Der Sport zeigt dem kleinen Balkanland, dasss Vielfalt besser ist als | |
> alte Träume von homogenen Völkern. Und der Tourismus verändert es. | |
Bild: Grüße: Nordmazedoniens Auswahl nach dem 1:2 gegen die Ukraine | |
Es ist die Zeit der osmanischen Besatzung in Nordmazedonien, und der Sohn | |
des Paschas hat Geburtstag. Da erscheint ein Vertreter eines kleinen | |
christlichen Dorfs; er schenkt dem Sohn das beste Pferd der Region. Der | |
Vater, der große Pascha, sagt dem Mann: „Du hast einen Wunsch frei.“ Da | |
sagt der: „Ich brauche keinen Wunsch, nur einen Rat. Wenn du einen | |
Blumengarten hättest mit nur einer Sorte, die wunderschön ist, und eine | |
andere Sorte setzte sich dazu, die auch wunderschön ist, was tätest du?“ | |
Der Pascha erwidert ohne Zögern: „Ich ließe die neue Sorte ausreißen, damit | |
die Homogenität wiederhergestellt ist.“ Da erzählt der Mann aus dem | |
christlichen Dorf, dass sich kürzlich muslimische Familien bei ihnen | |
angesiedelt hätten. „Wir wollen sie nicht vertreiben. Aber wir bitten | |
darum, sie zum Christentum konvertieren zu dürfen.“ Und das sei geschehen. | |
Das einzige Mal überhaupt im Osmanischen Reich. | |
So erzählt es mir Aleksandar Kržalovski, Direktor einer NGO im | |
nordmazedonischen Skopje. Das Dorf in der Legende ist sein Heimatdorf. Und | |
der Traum vom homogenen Blumengarten führt mitten hinein in die | |
komplizierte Balkanpolitik, in die Träume von Großserbien, Großalbanien, | |
Großbulgarien, und [1][das kleine Nordmazedonien,] das immer im Wege steht | |
gegen die Illusion von Eindeutigkeit, die es nie gäbe. Und aktuell zu | |
höflich sei, findet Krzalovski. Er hat zum Interview in ein Restaurant | |
geladen, „das vielleicht beste der Stadt“. Vor Ort stelle ich etwas | |
erschrocken fest, dass das wörtlich gemeint war. Aber Kržalovski besteht | |
darauf, mich einzuladen. Und mich anschließend zum Sightseeing zu fahren. | |
Der NGO-Direktor ist ein Konservativer, ein Fan der alten nationalistischen | |
Regierung von [2][Nikola Gruevski], was ich für zumindest ungewöhnlich in | |
seiner Branche halte. Ein Fan nordmazedonischer Stärke. Die sichtbarsten | |
Relikte der alten Regierung in Skopje sind die berüchtigten | |
[3][megalomanischen Neubauten]: pseudo-antike Säulenpaläste und | |
Triumphbögen, an jeder Ecke eine klobige Statue mit Nationalhelden und vor | |
allem ein kolossaler Alexander der Große, um den man sich mit Griechenland | |
streitet. | |
„Wie Disneyland“, kommentiert Kržalovski trocken. Die Gefühle der | |
EinwohnerInnen darüber seien eher gemischt. Auch er findet den nationalen | |
Pomp etwas lächerlich, aber die Baustrategie sei nicht falsch. „Ich finde | |
es schöner als die brutalistische Architektur der Jugoslawienzeit. Und | |
touristisch macht es Sinn.“ Dass man Geld ja vielleicht sinnvoller | |
verwenden könnte, lässt er nicht gelten. Es kämen jetzt sehr viele | |
ChinesInnen und JapanerInnen. „Sonst kämen die doch nie nach Skopje.“ | |
Womit er vermutlich recht hat. Ich denke, welche absurden Blüten dieser | |
Kapitalismus doch treibt, dass man etwas baut, damit JapanerInnen darüber | |
schmunzeln. Aber waren all die Paläste und Kirchen anderer Städte einst | |
weniger megalomanisch, weniger verschwenderisch? Eher nicht. Das, was heute | |
als künstlich gilt, wird auch in Skopje bald gute alte Geschichte sein. | |
21 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Bulgarisch-nordmazedonischer-Streit/!5729872 | |
[2] /Archiv-Suche/!5591770&s | |
[3] /Archiv-Suche/!360236&s/ | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Away | |
Nordmazedonien | |
Away | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Balkan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Männer-Kompetenz im Fußball: Hängende Zehn und so | |
Ehrlichkeit und sporadisches Nichtwissen gelten nicht, wenn über Fußball | |
gesprochen wird. Zum Glück bietet die EM noch mehr Themen. | |
EM-Abschied in Nordmazedonien: Eine fast unschuldige Liebe | |
Im nordmazedonischen Skopje feiert man den EM-Auftritt der Nationalspieler | |
trotz der drei Niederlagen – weil man einfach Spaß an ihrem Fußball hat. | |
Uefa ermittelt gegen Marko Arnautović: Vieldeutiges Torgebrüll | |
Der Österreicher Arnautović soll beim Sieg gegen Nordmazedonien einen | |
Gegenspieler rassistisch beschimpft haben. Die Uefa eröffnet ein Verfahren. | |
Grenzziehungen auf dem Balkan: Ein Papier mit Sprengkraft | |
„Ethnisch reine“ Staaten auf dem Balkan? Ein Vorschlag, der offenbar von | |
Sloweniens rechtspopulistischer Regierung stammt, sorgt für Aufregung. |