# taz.de -- Schnauze voll | |
> Nordmazedonien widersetzt sich dem Nationalismus. In der ersten Wahl seit | |
> der Umbenennung des Landes gewinnt ein klarer Pro-Europäer. Eine herbe | |
> Niederlage für Populisten und eine Chance des Landes auf einen | |
> EU-Beitritt | |
Bild: * Klingt komplizierter als Brexit, könnte dafür wirklich kommen: der No… | |
Von Erich Rathfelder | |
Europa hat in Nordmazedonien einen Sieg errungen: Mit Stevo Pendarovski hat | |
am Sonntag ein von den regierenden Sozialdemokraten nominierter | |
Politikprofessor die Präsidentschaftswahl gewonnen. Er steht für einen | |
klaren Kurs des Landes in Richtung EU-Beitritt, ebenso wie eine | |
Mitgliedschaft in der Nato. Beides wird für Nordmazedonien jetzt | |
wahrscheinlicher. | |
Wer hätte das 2016 für möglich gehalten? Damals demonstrierten Zehntausende | |
in Skopje gegen das Regime von Nikola Gruevski, der wie andere Potentaten | |
auf dem Balkan Putin imitieren wollte. Die Presse war fast | |
gleichgeschaltet. Die Gefängnisse füllten sich mit Oppositionellen. Doch | |
2017 gelang der Umsturz. Nicht nur die zu Sozialdemoraten mutierten | |
Kommunisten waren auf der Straße, auch moderne Bewegungen, die Frauen, die | |
Schwulen und Lesben, ethnische Minderheiten schlossen sich an, ebenso die | |
Roma in Skopje zeigten ihre Flagge. Auch Albaner kamen, nicht nur die in | |
Parteien organisierten, sondern einfach Leute, die die Schnauze vom | |
Nationalismus voll hatten. Die Regenbogenbewegung schob den Sozialisten | |
Zoran Zaev an die Spitze, er war Inspirator, Organisator und Ausdruck der | |
Bewegung. | |
Mit ihm und der Unterstützung durch manche westliche Botschaften gelang es | |
der Opposition, das Regime zu stürzen und dem Land wieder eine europäische | |
Perspektive zu geben. Die hatte das Land schon einmal 2006. Mazedonien war | |
nahe dran, Beitrittsverhandlungen zu führen. Doch dann kam das Veto aus | |
Athen. Die griechische Rechte monierte den Namen des Landes, die | |
mazedonische Rechte bekam Aufwind. Beide Seiten schaukelten sich hoch. | |
Doch das ist jetzt Vergangenheit. Zaev hat gleich zu Anfang seiner Amtszeit | |
versprochen, den Konflikt mit Griechenland zu lösen. Mit Alexis Tsipras | |
fand er einen Ansprechpartner auf der anderen Seite. Beide im politischen | |
Spektrum weit links stehenden Politiker handelten nicht nur einen | |
Kompromiss aus, ihnen gelang es sogar, mit Volksabstimmungen den Rechten | |
die Meinungshoheit zu entziehen und schließlich den Namensstreit zu | |
beenden, das Land nannte sich in Nordmazedonien um. | |
Jetzt sind sich alle Beobachter bis hinein in die Spitzen der EU einig, | |
dass Zaev gemeinsam mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras | |
eine historische Leistung vollbracht hat: Eine beispielhafte Versöhnung | |
zwischen den slawischen Mazedoniern und Griechen, gegen alle Widerstände | |
aus den nationalistischen Lagern beider Seiten. Der demokratische Prozess | |
ist in Nordmazedonien auch wegen der Einsetzung einer unabhängigen | |
Staatsanwaltschaft in Gang gekommen. Es wird mit einer Justizreform Ernst | |
gemacht. Viele korrupte Persönlichkeiten spürten das am eigenen Leib. | |
Ex-Regierungschef Nikola Gruevski floh in Begleitung ungarischer | |
Geheimdienstleute unter abenteuerlichen Umständen aus dem Land. | |
Mit dem Wahlsieg von Stevo Pendarovski mit fast 52 Prozent der Stimmen | |
gelang ein weiterer Erfolg. Zwar zeigt die Wahlbeteiligung von knapp 46 | |
Prozent, dass die Mehrheit der Bevölkerung noch zögert. Eine tragfähige | |
Stabilität wird Zaev erst erreichen können, wenn er seine Versprechungen in | |
Bezug auf die Integration des Landes in die Nato und die EU wahrmachen | |
kann. | |
Wie die Widerstände in der EU gegen die Integration weiterer Länder nach | |
den Europawahlen aussehen werden, ist noch nicht abzusehen. Klar ist aber, | |
dass auch die wirtschaftliche Entwicklung in Nordmazedonien | |
erfolgversprechend ist. Die Option Integration in die Nato ist für Zaev | |
wohl einfacher durchzusetzen. | |
Putins Schulterschluss mit Nationalisten und Rechtsradikalen auf dem | |
südlichen Balkan ist an den beiden linken Regierungen in Mazedonien und | |
Griechenland gescheitert. Das weiß die Nato. Und auch die Politik der | |
Populisten in Europa hat einen Dämpfer bekommen. All das müsste auch die | |
konservativen Parteien in der EU davon überzeugen, dass die Linken im | |
Südosten des Kontinents gute Europäer sind. | |
7 May 2019 | |
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