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# taz.de -- EM-Begeisterung in Ungarn trotz Corona: Alle rein ins Stadion!
> In Budapest herrscht Euphorie. Das liegt auch am Sonderweg, unbegrenzt
> Tickets zu verkaufen. Frankreich erwartet eine besondere Atmosphäre.
Bild: Hauteng und martialisch: ungarische Fans beim Fanmarsch vor dem Spiel geg…
BUDAPEST taz | Nur anderthalb Kilometer südlich vom Stadtzentrum Budapests,
nicht weit weg von der Großen Markthalle, schließt sich an einige trendige
Freiluftbars ein besonders entspanntes Public-Viewing-Areal an: Gerade die
Einheimischen genießen es, EM-Spiele direkt an der Donau vor der Parkanlage
Nehru Part mit Blick auf Gellértberg und Burgpalast zu schauen. Ein
besseres Ambiente bei Sonnenuntergang geht kaum. Als die vergangenen Tage
hier die Abendspiele Italien gegen Schweiz oder Niederlande gegen
Österreich liefen, war trotzdem irgendwo immer noch ein Plätzchen frei, was
sich aber ändert, wenn nun Ungarn gegen Frankreich (Samstag 15 Uhr/ARD)
antritt.
Dann wird auch Attila Vass nicht mehr alleine auf seiner Holzbank hocken.
Der Mittvierziger kam zuletzt täglich mit dem roten Trikot der ungarischen
Nationalmannschaft, trank in Ruhe sein Bier – und war erfreut über das, was
in Budapest mit der EM entstanden ist. „Vor ein paar Jahren konnten wir
unser Jersey in den meisten Fanshops gar nicht kaufen.“
Erst mit dieser EM, für die die Magyaren als Mitausrichter früh mit im Boot
waren, habe sich das geändert. „Für uns ist es ein einmaliges Erlebnis,
dass wir dabei sein dürfen.“ Er hätte gerne eine Karte für ein Gruppenspiel
erworben; keine Chance, „nach wenigen Stunden war alles ausverkauft.“ Aber
nun freut er sich, wie viele Landsleute die Public-Viewing-Angebote
entdecken, um Fußball zu erleben und Kontakte zu knüpfen.
„Ihr in Deutschland hattet [1][euer Sommermärchen 2006]“, sagt er, verweist
zusätzlich auf die WM 1974 oder EM 1988, „und bald kommt die ganze EURO zu
euch – wir sind nur dieses eine Mal dabei.“ An der These ist was dran.
Trotzdem hat die Pandemie so manche Perspektive verändert: Und da kündigen
sich jetzt gleich die nächsten verstörenden Bilder aus Budapest an. Wie
schon vor dem Portugal-Spiel wollen sich drei Stunden vor Anpfiff rund
25.000 Anhänger am Heldenplatz treffen, um durchs Stadtwäldchen zur
Puskás-Arena zu marschieren.
## Fragwürdiger Fanmarsch
Vermutlich wieder ohne Abstand, ohne Maske – aber mit Bier und Böllern. Der
fragwürdige Fanmarsch steht im krassen Gegensatz zu den entspannten
Fanzonen, wird indes von den nationalen Behörden genehmigt. Dass es
international dafür keinen Beifall gibt, sondern Kritik hagelt, versteht
sich von selbst.
Wobei selbst Bundesligaspieler wie Roland Sallai den Support grundsätzlich
gutheißen. „Was die Fans am Dienstag gemacht haben, ist schwer zu
beschreiben. Sie haben uns einen riesigen Schub gegeben. Sie haben alles
gegeben, wir haben alles gegeben – am Samstag geht’s weiter!“, sagte der
Stürmer vom SC Freiburg. Péter Gulácsi, Torwart von RB Leipzig, sprach von
einem „einmaligen Erlebnis“.
Letztlich waren gegen den Europameister aus unerfindlichen Gründen fast
12.000 der 67.155 roten Schalensitze leer geblieben, obwohl alle Tickets
verkauft waren. Ganz egal wie die „No-Show-Rate“ gegen den Weltmeister
ausfällt, mutiert das monumental anmutende Nationalstadion erneut zum
Testlabor, bei dem sich geimpfte, genesene oder getestete Besucher
zwangsläufig nahekommen.
Die Debatte über den ungarischen Sonderweg führt schnell zum
[2][umstrittenen Ministerpräsidenten Viktor Orbán], der die Vollauslastung
im einzigen EM-Spielort bereits im Frühjahr versprach. Der rechtsnationale
Fidesz-Politiker hat speziell in der Hauptstadt unter jungen Leuten viele
Kritiker, die lieber zu dem 2019 gewählten, linksliberal-grün eingestellten
Oberbürgermeister Gergely Karácsony halten.
Der Austausch kann selbst unter Einheimischen schnell in einer Sackgasse
enden, Budapest scheint in politischen Fragen so gespalten wie die Stadt
selbst. Seit Mittwoch ist nämlich die Verbindung zwischen dem westlichen,
bergigen Part Buda und dem östlichen, flachen Teil Pest gekappt. Die
weltberühmte Kettenbrücke muss wegen umfassender Sanierungsarbeiten
mindestens anderthalb Jahre gesperrt bleiben – eine Erschwernis für eine
Hauptstadt, in der der Fußball gerade nicht nur Brücken baut.
19 Jun 2021
## LINKS
[1] /Folgen-des-Sommermaerchen-Skandals/!5434624
[2] /Orbans-neues-Gesetz-gegen-LGBTQI/!5775057
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
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Public Viewing
Kolumne Frühsport
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