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# taz.de -- Folgen der Pandemie in Nordkorea: Tiefgreifende Zäsur
> Die Bevölkerung Nordkoreas leidet unter der vollständigen Isolation des
> Landes – doch das Regime kann nur so ausländische Einflüsse
> zurückdrängen.
Bild: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un trat am Mittwoch wieder in die Öffentl…
Peking taz | Als Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un nach über einem Monat
Abwesenheit wieder in die Öffentlichkeit trat, sorgte der 37-Jährige wie so
oft für mediales Kaffeesatzlesen: Schmaler im Gesicht, auf den Hüften und
auch am Armband der Luxusuhr, analysierten renommierte Nordkorea-Beobachter
jedes Kim-Foto der Staatsmedien bis auf den letzten Pixel.
Doch letztlich bleiben die Gründe für Kims plötzlichen Gewichtsverlust
spekulativ: Er könnte auf eine Krankheit hindeuten oder auch im Gegenteil
auf einen nun gesünderen Lebensstil.
Dabei lenken solche Äußerlichkeiten nur von den inneren Transformationen im
Land ab. Denn wie Kim beim mehrtägigen Auftakt der Sitzung des
Zentralkomitees am Dienstag erklärte, sei die Nahrungsmittelversorgung
„angespannt“.
Offenbar verschärft neben der ohnehin katastrophalen Misswirtschaft des
Regimes und den regelmäßigen [1][Naturkatastrophen] nun auch noch die
Pandemie die humanitäre Lage massiv.
## Ausmaß der Not bleibt unklar
Doch gehört so ein indirekte Hilferuf aus Pjöngjang längst zur politischen
Routine. Doch ohne Entwicklungshelfer im Land lässt sich das wirkliche
Ausmaß gar nicht unabhängig überprüfen.
„Nordkorea übertreibt oft seine Ernteprobleme, um mehr internationale
Hilfe anzufordern“, sagt Mason Richey von der Hankuk University of Foreign
Studies in Südkoreas Hauptstadt Seoul. Dabei stünde außer Frage, dass viele
Menschen in Nordkorea massiv unterernährt seien.
Auch Nordkoreas Elite muss inzwischen zumindest auf einige
Annehmlichkeiten verzichten. Laut dem Fachmedium NK News haben sich Preise
für Importprodukte teilweise verzehnfacht: So kosteten bestimmte
Shampoo-Marken mittlerweile umgerechnet 200 US-Dollar, ein Kilogramm
Bananen 45 Dollar. Offensichtlich haben die Schließungen der Grenze zu
China den Warenverkehr ins Land reduziert.
Daran dürfte sich so bald wenig ändern. Nordkoreas Wirtschaftseinbruch 2020
betrug laut dem südkoreanischen Hana-Institut für Finanzen knapp 10
Prozent. Am stärkster trug dazu der fast zum Stillstand gekommene Handel
mit China bei, Nordkoreas einzig signifikantem Außenhandelspartner.
## Corona schafft, woran US-Hardliner scheitern
Die Pandemie hat erstmals Nordkoreas vollständige Isolation erreicht, was
Jahre von US-geführter Sanktionspolitik nicht geschafft haben. Es ist der
wahr gewordene Traum der Hardliner in Washington: Denn seit März 2020 hat
Pjöngjang alle internationalen Flüge und Zugverbindungen gekappt und einen
Schießbefehl an der Grenze zu China erlassen.
Doch ist damit gar noch nichts erreicht. Denn Nordkoreas Isolation hat auch
jede Diplomatie eingeschränkt. „Dies ermöglicht Nordkorea, [2][sein
Atomprogramm voranzutreiben], ohne dass die internationale Gemeinschaft
wirklich Druck ausüben kann“, sagt Forscher Richey.
Beim ZK-Plenum deutete Kim jetzt an, dass die Grenzen weiter geschlossen
bleiben. Er habe den Staat angewiesen, „einen perfekten antiepidemischen
Zustand aufrechtzuerhalten“, hieß es in der blumigen Sprache der
nordkoreanischen Staatsmedien.
Das heißt: Die jüngsten Zeichen für einen wiederaufgenommenen Handel an der
Grenze zu China wie etwa neue Desinfektionsstände am Zollübergang und
erhöhter Schiffsverkehr scheinen letztlich bedeutungslos. Denn solange die
Brücke zwischen beiden Staaten geschlossen ist, bleiben auch die für die
Landwirtschaft dringend benötigten Düngemittellieferungen aus.
Aus den Berichten der nordkoreanischen Staatsmedien ergibt sich der
Schluss, dass die Reformer im Regime Einfluss verloren haben. Den Ton geben
die Hardliner an, welche die Rolle des Staates stärken und
marktwirtschaftliche Kräfte zurückdrängen wollen. Denn geschlossene Grenzen
schützen nicht nur vor Viren, sondern auch vor ausländischen Einflüssen.
17 Jun 2021
## LINKS
[1] /Corona-und-Nordkorea/!5672965
[2] /Kritik-von-UN-Expertinnen/!5750085
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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Nordkorea
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