# taz.de -- Bayerische Momente der Fußball-EM: Vom alten Schlag | |
> Ausgerechnet in der aalglatten Uefa-Welt trifft man auf indigene | |
> Münchner. Ihr Mundwerk ist einzigartig und ihr Dialekt wunderschön. | |
Bild: Draußen vor der Stadt, wo die echten Münchner hausen: Arena am Abend | |
Ob es überhaupt noch echte Münchner gibt, ist eine viel gestellte Frage in | |
der bayerischen Landeshauptstadt. Rund um den Marienplatz oder in den | |
Schwabinger und Haidhauser Cafés, die so eingerichtet sind, dass sich vor | |
allem junge Männer mit langen Bärten wohlfühlen, sind sie kaum zu finden. | |
Manchmal laufen einem Frauen im Dirndl über den Weg. | |
Meist sind das Bedienungen, die auf dem Weg zu ihrer Schicht im Wirtshaus | |
sind, in dem sie arbeiten und dabei so tun müssen, als sei es normal, für | |
[1][eine Halbe Bier an die 6 Euro] zu verlangen. Das sind die echten | |
Münchnerinnen von heute, die fast alle irgendeine Migrationsgeschichte | |
haben, die man ihnen mal mehr, mal weniger und meistens gar nicht anhört. | |
Die sind aber nicht gemeint, wenn nach den echten Münchnern gefragt wird. | |
Gemeint sind die Indigenen, deren Stamm seit Generationen in der Stadt | |
lebt, die ein breites Bairisch reden, das die Zugezogenen mit den Bärten | |
manchmal drollig finden und manchmal einfach nicht verstehen. Sie wohnen | |
heutzutage meistens am Rand der Stadt, wo die Häuser schmucklos, | |
rechtwinkliger und meist höher sind als im Zentrum. Wenn man aus dem | |
Zentrum rausfährt, dahin, wo das EM-Stadion steht, führt einen der Weg | |
vorbei an solchen Siedlungen, wo sich die letzten Indigenen den raren | |
erschwinglichen Wohnraum der Stadt mit den Migramünchnern teilen. | |
Und so kommt es, dass ausgerechnet [2][in der aalglatten und seelenlosen | |
Uefa-Welt] jene Indigenen anzutreffen sind, deren Charme so eigen ist, dass | |
viele ihn nicht erkennen. Ich wurde jedenfalls in tiefstem Bairisch | |
begrüßt, als ich an den Containern angekommen bin, in denen die Uefa die | |
Akkreditierungen für das Turnier ausgibt. | |
## Hoit! | |
„Hoit! Wos mechat er etzad do?“, bin ich von einem Mann in seinen besten | |
Jahren, mit einer stattlichen Wampe, angebrüllt worden. „Moment! Was haben | |
Sie denn hier verloren?“, wäre wohl eine adäquate Übersetzung für das, was | |
mir der Mann zugerufen hat. „Do nei mechat i“, habe ich gesagt und | |
versucht, so Bairisch zu sprechen, wie es mir nach 25 Jahren Exil in Berlin | |
noch möglich ist. „Nachad geh hoit!“, war die Antwort des Stewarts. | |
Andere kamen nicht ganz so gut zurecht mit dem Mann, dessen Job eigentlich | |
nur darin bestand, mit dem Finger auf eine Tür zu zeigen. Eine Schar dünner | |
Französlein traute sich gar nicht an ihm vorbei. Sollten sie auch nicht. | |
Denn ihnen war beschieden worden zu warten. „Da Franzos kimmt eh glei“, | |
hatte der Fingerzeiger gesagt. In der Tat schlich kurz darauf ein | |
EM-Freiwilliger um die Ecke, der sich mit einem freundlichen „Bonjour“ um | |
die EM-Gäste aus Frankreich kümmerte. | |
Weil ich noch zwei Stunden warten musste, bis die Uefa mir meine | |
[3][Zutrittsberechtigung zur EM-Welt] ausgehändigt hat, lungerte ich noch | |
eine Weile vor dem Akkreditierungszentrum herum. Ich konnte mich schier | |
nicht satthören. Ob es noch echte Münchner gibt? Ja, kann ich jetzt sagen, | |
draußen bei der EM, da kannst du welche finden. Ausgerechnet. | |
18 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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