Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach Rücktritt von Kardinal Marx: Doppelspitze fürs Bischofamt
> Der Rücktritt von Erzbischof Marx sollte Vorbild sein für seine Kollegen.
> Die Macht im Bistum München könnte in Zukunft paritätisch geteilt werden.
Bild: Übernimmt Verantwortung: Kardinal Marx bietet seinen Rücktritt an
Göttin sei Dank. Endlich übernimmt einer der katholischen Bischöfe
Verantwortung und [1][bietet seinen Rücktritt] an. Mehr noch: einer der
prominentesten, einer der jeweils sechs Jahre lang der Oberste der
deutschen und der europäischen Oberhirten war, tut es. In dem Brief, den
Reinhard Marx an Papst Franziskus richtete und der am Freitag öffentlich
wurde, schreibt der Erzbischof von München und Freising: „Im Kern geht es
für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des
sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen
Jahrzehnten.“
Angesichts einer solchen Geste, angesichts seiner Bedeutung für den
Reformprozess des „Synodalen Weges“, angesichts [2][seines klugen Verzichts
auf das Bundesverdienstkreuz] Ende April und vor allem angesichts der
unwürdigen Performance des Kölner Bischofs [3][Rainer Maria Woelki] in den
letzten Monaten, werden manche sagen: es ist der falsche Bischof, der
zurücktritt. Das stimmt schon. Marx ist keiner, der die Kirche als heilige
Herde hinter hohen Mauern begreift, sondern interessiert an kirchlicher wie
gesellschaftlicher Empirie und Veränderung. Er steht für eine Soziallehre,
die dem Markt und der Ausbeutung klare Grenzen setzt.
Er steht für eine Kirche, die den Konflikt mit den C-Parteien nicht scheut.
Als [4][Markus Söder 2018 das Kreuz zum Identitätsmarker] in bayrischen
Behörden erklärte und zeitgleich gegen Geflüchtete hetzte, legte Marx
deutlich Widerspruch ein. „Unsere christliche Identität wäre in Gefahr,
wenn wir den Flüchtlingen nicht helfen. Wenn wir Menschen in Not sozusagen
an unseren Grenzen sterben lassen, dann pfeife ich auf die christliche
Identität“, ist so ein Marx-Satz. „Nationalist sein und katholisch sein,
das geht nicht“, ein anderer in Richtung AfD.
Und doch: Es ist richtig, dass Marx zurücktritt. Er war es, der 2004 der
[5][Ethikprofessorin Regina Ammicht Quinn] die Lehrerlaubnis für einen
katholischen Lehrstuhl in Saarbrücken verweigerte, weil sie eine von Rom
abweichende – schlicht zeitgemäße – Sicht auf Geschlecht und Sexualität
hat. Als Bischof von Trier hat auch Marx nicht reagiert, als er von der
sexualisierten Gewalt erfuhr, die einem Jugendlichen durch einen Priester
in seiner Zuständigkeit zugefügt wurde. Und noch ist das für Sommer 2021
angekündigte Gutachten nicht veröffentlicht, das das Ausmaß sexualisierter
Gewalt in Marx' jetzigem Bistum aufklären soll.
## Push für den „Synodalen Weg“
Gerade aber, wenn Marx nicht in herausragender Weise belastet werden
sollte, wird sich der Wert dieses Rücktritts zeigen. Denn dieser Bischof
hat tatsächlich dazugelernt, hat das Wort „systemisch“ verstanden und
übernimmt jetzt auch persönliche Verantwortung dafür. Diesen Schluss lässt
zumindest sein Brief an den Papst zu, in dem er unter anderem von einem
„toten Punkt“ für die Kirche spricht.
Marx' Rücktritt kann jetzt schon als Vorbild für seine Kollegen dienen.
„Ich will zeigen, dass nicht das Amt im Vordergrund steht, sondern der
Auftrag des Evangeliums“, heißt es im Brief an den Papst und das darf man
ihm glauben. Damit ist der Rücktritt auch ein Push für den „Synodalen Weg�…
den Marx 2019 als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz eröffnet
hat.
Der nächste Schritt auf diesem Weg? Wenn Papst Franziskus den Rücktritt
annimmt, sollte der Münchner Bischofsstuhl mit einer Doppelspitze besetzt
werden. Eine Frau würde den Personalfragen, Finanzen und Gremien vorstehen.
Ein Geweihter würde (erstmal noch) die Bischofsrolle im Gottesdienst
übernehmen. Dies ließe sich ohne größere Änderungen der römischen Lehre
sofort verwirklichen. „Man sagt, nur der Repräsentant in der Eucharistie
ist, ist auch derjenige, der die Kirche leitet. Und da komme ich dann
natürlich zu dem Schluss: Also können nur Männer die Kirche leiten. Das
kann ja nicht sein.“ Auch mit diesem Satz hatte Reinhard Marx völlig Recht.
5 Jun 2021
## LINKS
[1] /Brief-an-Papst-Franziskus/!5776445
[2] /Verdienstkreuz-fuer-Kardinal-Marx/!5762845
[3] /Firmung-durch-Kardinal-Woelki/!5774013
[4] /Markus-Soeders-Kreuzerlass/!5506490
[5] /Sexualitaet-in-der-Kirche/!5725339
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
## TAGS
Katholische Kirche
Kirche
Papst
Reinhard Marx
Sexualisierte Gewalt
GNS
Katholische Kirche
Papst Franziskus
Katholische Kirche
Katholische Kirche
Katholische Kirche
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kardinal spricht von „Versagen“: Marx bittet um Entschuldigung
Ein verurteilter Sexualstraftäter war 20 Jahre lang als Priester in
Garching tätig und soll dort weitere Taten verübt haben. Kardinal Marx
findet deutliche Worte.
Abgelehnter Rücktritt des Kardinals: Papst braucht Marx
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx muss im Amt bleiben. Es zeigt die
personelle Not, die in der deutschen katholischen Kirche herrscht.
Brief an Papst Franziskus: Kardinal Marx bietet Rücktritt an
Die katholische Kirche sei an einem „toten Punkt“ angekommen, schreibt er
in einem Brief an den Papst – auch wegen des Skandals um sexualisierte
Gewalt.
Sexualisierte Gewalt und Kirche: „Die haben Mauern hochgezogen“
Ein Fall von sexueller Belästigung im Bistum Limburg wirft die Frage auf.
Wie ernst nimmt es Bischof Georg Bätzing mit der Aufarbeitung?
Verdienstkreuz für Kardinal Marx: Kein unwürdiger Preisträger
Kardinal Marx hat sich durchaus verdient gemacht, doch die Ehrung wäre ein
falsches Signal gewesen. Den Orden abzulehnen ist die richtige
Entscheidung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.