# taz.de -- Weltaidstag 2020: Das Auge der Bewegung | |
> Ab den 1990ern hielt der Filmemacher James Wentzy die wichtigsten Momente | |
> der US-amerikanischen Aids-Widerstandbewegung fest. | |
Bild: James Wentzy bei einem Interview 2018 | |
„Im Jahre 1985 rief ich ein Aids-Hilfetelefon an und fragte, ob ich mich | |
testen lassen soll. Sie sagten: Nun, sie sind ein schwuler Mann. Holen sie | |
sich keinen, nehmen Sie an, dass sie positiv sind“, erzählte James Wentzy | |
2018 in einem Interview. | |
Am Ende der 1980er Jahre waren bereits Millionen Menschen weltweit am | |
HI-Virus erkrankt. Alleine in den USA starben zwischen 1981 und 1987 40.000 | |
Menschen an Aids. Doch die US-Amerikanische Gesellschaft schwieg das | |
Problem tot und stigmatisierte Erkrankte, insbesondere | |
Drogenkonsument:innen und Homosexuelle. | |
Als Wentzy 1990 die Diagnose bekam, schloss er sich den | |
Aktivisten:innen von Act Up (Aids Coalition to Unleash Power) an. „Es | |
war beeindruckend. 300 Menschen in einem Raum, mit dieser Energie“, erzählt | |
er. „Ich wusste, was ich tun konnte: alles dokumentieren.“ | |
Wentzy begleitete die Bewegung mehrere Jahre mit seiner Kamera und sammelte | |
über 1000 Stunden Videomaterial. 1987 in New York City gegründet, trugen | |
sie mit ihren provokanten Aktionen maßgeblich zum gesellschaftlichem | |
Umdenken bei, in bis zu 147 Ortsgruppen weltweit. | |
## Act Up hat alles verändert | |
Dabei setzten sie mit zivilen Ungehorsam das Thema auf die Agenden von | |
Regierung, Presse und Phamziunternehmen. Das US-Amerikanische Magazin The | |
Nation schrieb 2019: „Act Up hat alles verändert. Die Hiv/Aids | |
Protestgruppe war der erste große Sprung für die Queere-Bewegung nach | |
Stonewall“. | |
Wentzy dokumentierte unter anderem die „Ashes Action“ 1992. Motiviert durch | |
den ausdrücklichen Wunsch mehrere Aktivist:innen, dass ihre Körper nach | |
ihrem Tod an Aids auf irgendeine Art und Weise politisch genutzt werden, | |
inszenierten die Aktivist:innen eine Trauerfeier zum Weißen Haus, mit | |
Särgen und Urnen ihrer verstorbenen Freunde. | |
„Sie legten die Körper einen Sarg und fuhren in die Hauptstadt“, erzählt | |
Wentzy im Interview. „Die Polizei hat von der Aktion Wind bekommen und | |
ließen nicht zu, dass die Särge aus den Wägen geholt werden. Einer der | |
Aktivisten rief: ‚Wovor habt ihr Angst?‘“ Die Polizei habe die toten nicht | |
sehen wollen. | |
Bei der LGBT-Pride 2017 in New York City wiederholten die | |
Aktivist:innen symbolisch die „Ashes Action“: Sie trugen schwarze Särge | |
auf ihren Schultern, aber dieses mal waren keine Toten drin, sie wurden mit | |
sozialen Sicherungssystemen beschriftet, die die Trump-Adminstration | |
einstellte. | |
## Dragshow auf Twitch | |
Zum Weltaidstag 2020 organisiert die Gründungsgruppe aus New York City | |
pandemiebedingt einen digitalen Protest. Ab 20 Uhr, nach Uhrzeit der | |
amerikanischen Ostküste, wird auf Twitch eine Dragshow gestreamt, bei der | |
Hiv-Positive von ihrer Lebensrealität erzählen. | |
27 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Jordi Ziour | |
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Verschwörungsmythen und Corona | |
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Salzgeber. | |
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Schuld an der Verbreitung von Fake-News. Wie die taz 1987 durch einen Köder | |
von östlichen Geheimdiensten instrumentalisiert wurde. |