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# taz.de -- Brand im griechischen Lager Moria: Lange Haft für vier Geflüchtete
> Ein Gericht verurteilt vier Männer wegen Brandstiftung im
> Flüchtlingslager Moria. Im Schnellverfahren und aufgrund einer einzigen
> Zeugenaussage.
Bild: Die Verurteilten im Gerichtssaal auf der Insel Chios
Chios taz | Bereits in den frühen Morgenstunden werden die vier jungen
Männer unter großen Sicherheitsmaßnahmen in das Gerichtsgebäude gebracht.
Polizisten sperren mit Motorrädern und SUVs die Straßen um das
Gerichtsgebäude ab. Die Anwältin der Angeklagten tritt vor eine kleine
Menge und prangert mangelhafte Beweislage, Fehlverhalten der
Staatsanwaltschaft sowie fehlende Akteneinsicht an.
Neun Monate nach dem [1][verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria], bei
dem 13.000 Fluchtsuchende ihre Unterkunft verloren hatten, stehen an diesem
Samstag vier junge Asylsuchende aus Afghanistan vor Gericht.
Der Richter beginnt den Prozess mit den Worten: „Hier sind also die
Brandstifter.“ Laut offizieller Ausweispapiere waren drei der vier zum
Zeitpunkt des Brandes minderjährig. Das Gericht akzeptiert keine weiteren
Dokumente und fährt mit dem Prozess fort.
Nach Angeben der Strafverteidigung basiert die Anklage zum größten Teil auf
Aussagen eines Asylbewerbers, der zum Zeitpunkt des Brandes ebenfalls im
Flüchtlingslager Moria lebte. Er warf insgesamt sechs jungen Männern vor,
die Brandstifter gewesen zu sein.
Bei dem Augenzeugen handelt es sich um einen Afghanen von der Volksgruppe
der Paschtunen, die bereits mehrfach im Flüchtlingslager Moria mit
Fluchtsuchenden der ethnischen Gruppe der Hazara Auseinandersetzungen
hatten und ihnen mehrfach Verbrechen vorwarfen, die sich im Nachhinein als
unwahr herausstellten. Der Konflikt zwischen den Gruppen wurde vom Gericht
nicht berücksichtigt, da es laut Staatsanwaltschaft innerhalb Griechenlands
keine Konflikte zwischen Flüchtlingen gibt.
Der Zeuge ist jetzt nicht auffindbar, weder bei der Anhörung am Freitag
noch am Prozesstag. Dafür hat er bereits zwei Wochen nach dem Brand einen
Aufenthaltstitel für Griechenland erhalten. Laut Verteidigung befindet sich
der Kronzeuge, auf dessen Aussage dieser Prozess basiert, in Deutschland.
Polizeiangaben zufolge hat er die jungen Männer nicht am Tag des Brandes,
sondern erst einen Tag danach gesehen.
Als weitere Zeugen werden 25 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen,
Polizisten und Feuerwehrleute aufgerufen. Einer der ersten Zeugen ist eine
niederländische Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen. Vor ihrer Aussage
fragt der Richter, warum ihr Land nicht mehr Flüchtlinge aufnimmt und was
eigentlich die Niederlande gegen Corona tun. „Wenn es doch so viele
Flüchtlinge in Holland gibt, warum bist du dann hier?“
## UNHCR-Mitglieder durften nicht vor Gericht erscheinen
Ein Polizeibeamter kann die jungen Männer identifizieren und mit seiner
Aussage entlasten, was aber nichts nützt. Mitarbeiter des
[2][UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR], die zum Zeitpunkt des Brandes vor Ort
waren, durften nicht vor Gericht erscheinen, um ihre Aussagen zu machen.
Das Gericht begründet diese Entscheidung mit der Covid-19-Pandemie und
Hygienevorschriften.
Laut Aussage der Verteidigung werden diese Hygienevorschriften durch fünf
zusätzliche Polizisten vom Gericht selbst missachtet. Auch zwei
angeforderte Prozessbeobachter der Verteidigung dürfen das Gebäude nicht
betreten.
Am Ende werden die vier jungen Asylsuchenden aus Afghanistan zu jeweils
zehn Jahren Haft verurteilt. Die zwei weiteren hatten bereits zuvor je fünf
Jahre bekommen. Die Verteidigung sowie Beobachter vor dem Gebäude werfen
dem Gericht vor, es verstoße vorsätzlich gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention: Schuldspruch und Urteil seien bereits vor dem
Prozess bekannt gewesen. Und: Laut griechischer Verfassung sind Gerichte
dazu verpflichtet, Tonaufnahmen zu erstellen – am Prozesstag gab es kein
Aufnahmegerät.
13 Jun 2021
## LINKS
[1] /Moria/!t5713411
[2] /UNHCR/!t5008085
## AUTOREN
Hami Roshan
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Moria
Flüchtlingslager
Brandstiftung
Griechenland
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