# taz.de -- Bremer SPD wählt Landesvorsitzenden: Der Zurückhaltende | |
> Reinhold Wetjen ist der einzige Kandidat bei der Wahl eines neuen | |
> Landesvorsitzenden der Bremer SPD. Wofür er steht, ist nicht einfach | |
> rauszukriegen. | |
Bild: Bislang eher selten im Mittelpunkt: Reinhold Wetjen | |
Bremen taz | Weil die Landessvorsitzende der Bremer SPD, Sascha Aulepp, im | |
Herbst [1][Bildungssenatorin werden soll], muss ihr Posten an der Spitze | |
der Bremer SPD neu besetzt werden. Am Samstag, 12. Juni, soll das | |
passieren. Reinhold Wetjen ist bisher der einzige Kandidat. Konkurrenz wird | |
er vermutlich nicht bekommen. | |
Außerhalb der Bremer SPD ist Wetjen ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Mit | |
Google findet man fast nichts über ihn. Auf Facebook hat er aktuell Fotos | |
von der Reparatur von Wahlkampfplakaten gepostet. Selbst auf der | |
Internetseite der Partei bleiben die Angaben bestenfalls spärlich. | |
„Ich möchte keine Interviews und Statements vor der Wahl abgeben, da es | |
nicht zu meiner Person passt und auch nicht die Delegierten beeinflussen | |
sollte, wenn ich schon vor der Wahl ‚werbe‘“, erklärte er auf eine | |
Interview-Anfrage. Wofür er steht, werden die Delegierten vielleicht auf | |
dem Landesparteitag erfahren, sofern sie ihn nicht aus parteiinternen | |
Diskussionen kennen – immerhin ist er 68 Jahre alt und hat einige Jahre der | |
Parteiarbeit auf dem Buckel. | |
Trotz seiner persönlichen Art, zu der öffentliche Positionierung nicht | |
gehört, will Wetjen die Öffentlichkeitsarbeit der Partei verbessern. „Die | |
Bremer SPD kann noch besser in den Medien vertreten sein“, heißt es in | |
einem Papier zur Parteireform, das seine Handschrift trägt. Die Partei sei | |
in den Stadtteilen präsent und aktiv – aber kein Mensch merke es. Das soll | |
geändert werden – aber wie? | |
Ein „hauptamtlicher Medienreferent bzw. eine Referentin“ solle eingestellt | |
werden. Bisher war die Pressearbeit der Partei Sache der Landesvorsitzenden | |
und des Geschäftsführers. Das fiel neben der professionellen Medienarbeit | |
der SenatorInnen kaum ins Gewicht: Dem Kandidaten Wetjen war es offenbar zu | |
wenig. | |
Aufgabe dieser Person soll aber nicht die direkte Pressearbeit sein, | |
sondern interne Schulungen in Medienarbeit und „Planung der | |
Öffentlichkeitsarbeit der Untergliederungen“ durchzuführen. Ein | |
„Medienbeirat“, nach Proporz der Untergliederungen zusammengesetzt, soll | |
„Themen, Maßnahmen und Kampagnen“ vorschlagen. | |
Das klingt sehr nach Parteibürokratie, Wetjen ist sich dabei aber durchaus | |
bewusst, dass die moderne Arbeitsform die der Projektarbeit ist. Die | |
Parteiarbeit sollte mehr „in Arbeitskreisen und in (zeitlich befristeten) | |
Projektgruppen“ stattfinden, heißt es in seinem Reformpapier. | |
Da kennt er sich aus. „Campaigner“ steht immerhin auf der SPD-Webseite, die | |
ihn als Beisitzer des Vorstands des Unterbezirks Stadt vorstellt. Das meine | |
Wahlkämpfe, erklärt er. | |
Seine Lehre als Betriebswirt hat Wetjen einst bei der „Nordsee“ in | |
Bremerhaven gemacht und dann Industriekaufmann studiert. Die kommunalen | |
Bremer Stadtwerke stellten ihn ein, da hat er dann bis zum Jahre 2000 | |
gearbeitet – danach war er einige Jahre bei den Stadtwerken in Düsseldorf. | |
Aus der Parteiarbeit hatte er sich da berufsbedingt weitgehend | |
zurückgezogen. | |
Wenn er jetzt Landesvorsitzender wird, muss er aber voll wieder einsteigen: | |
Immerhin stehen im September Bundestags- und im Mai 2023 | |
Bürgerschaftswahlen an. Und Wetjen sieht sich nicht nur als Platzhalter | |
beispielsweise für seinen Unterbezirksvorsitzenden Falk Wagner: Der ist | |
dieser Tage gerade Vater geworden und hat andere Prioritäten. Aber | |
nachgesagt wird ihm der Ehrgeiz, für eine deutliche Verjüngung an der | |
Spitze der Bremer SPD zu sorgen. | |
Wetjens Reformideen sind vielfältig. Die Partei soll „nach außen sichtbarer | |
und im Inneren erlebbarer“ werden, heißt es in seinem Papier, soll mehr mit | |
„Partnern aus der Zivilgesellschaft“ zusammenarbeiten, mehr „junge Mensch… | |
und Frauen“ ansprechen und vor allem in den sozialen Medien präsent sein. | |
## Büroflächen als Treffpunkte für Ehrenamtliche | |
Neben dem Medienreferenten soll es dafür „Stadtteilbüros in mindestens vier | |
Stadtteilen“ – drei gibt es bisher – geben, mit denen eine „Steigerung … | |
Sichtbarkeit der SPD“ gelingen soll. Diese Büroflächen könnten auch als | |
Treffpunkt ehrenamtlichen Gruppen offen stehen. Und das zentrale | |
Parteibüro, derzeit auf einer Büroetage in der Obernstraße untergebracht, | |
soll umziehen, um eine sichtbare „Adresse“ zu werden – eine „wahrnehmba… | |
Anlaufstelle für die Bevölkerung“. | |
Wetjen ist sich darüber im Klaren, dass solche Prozesse in einer | |
traditionsreichen Partei Zeit brauchen – „Lähmschichten“ nennt er das, w… | |
zu überwinden ist, bisweilen. Einmal hat sich Wetjen doch ausgesprochen | |
mutig an die Öffentlichkeit gewandt. Das war 1995, als Henning Scherf seine | |
Koalition mit der CDU schmiedete. | |
Wetjen bekannte als Parteitagsdelegierter offen, er werde mit „Nein“ gegen | |
den Koalitionsvertrag stimmen. Der taz hatte er damals ein | |
Diskussionspapier zur Begründung vorgelegt, für das er gemeinsam mit | |
Heinz-Gerd Hofschen verantwortlich zeichnete. Der 2019 verstorbene | |
Historiker trat vier Jahre später aus der Partei aus und wechselte in Die | |
Linke. | |
In dem Protestschreiben monierten die beiden die fehlende | |
sozialdemokratische Handschrift des Koalitionsvertrages. Das Konzept der | |
„Rasenmäherkürzungen“ lehnten die beiden ab und forderten, dass eine | |
selbstbewusste SPD „kein bequemer Partner für die CDU sein“ dürfe. Henning | |
Scherf hat bei dem folgenden Zusammentreffen mit Wetjen abfällig bemerkt, | |
er habe das Papier gesehen, aber nicht gelesen. | |
Und will jetzt der Landesvorsitzende Wetjen eine selbstbewusste SPD | |
repräsentieren, der dem medienaffinen und dominanten Bürgermeister Andreas | |
Bovenschulte – wenn es nötig ist – ein unbequemer Partner ist? Kaum: Wer | |
vor der Wahl keine entsprechenden Aussagen trifft, kann sich nicht auf ein | |
„Mandat“ der Delegierten berufen. Und wie es der Zufall will, ist | |
Bovenschulte zudem auch Mitglied in dem Ortsverein Altstadt, der Wetjen | |
vorgeschlagen hat. | |
Wetjen ist eher ein Mann der leisen Töne. Gerade kursiert ein Papier zur | |
Aufwertung der Bahnhofsvorstadt. Die „Wegebeziehungen in die Innenstadt“ | |
sollen attraktiver werden, „insbesondere für Fußgänger“, heißt es da, d… | |
Daniel-von-Büren-Straße sollte eine Flaniermeile vom Findorff-Tunnel bis zu | |
den Wallanlagen werden. | |
Vor allem aber sollte, so Wetjens Papier, die „Barriere Hochstraße | |
gestalterisch überwunden“ werden. Eigentlich fordert der Ortsverein den | |
Abriss der Hochstraße. Aber solange der in den Sternen steht, will Wetjen – | |
pragmatisch – unter dem Flyover eine für Fußgänger attraktive | |
Aufenthaltszone schaffen – mit Außengastronomie, möglicherweise | |
herunterhängenden Pflanzen. | |
Muss man Druck auf die grüne Bau- und Umweltsenatorin ausüben, um diese | |
Pläne umzusetzen? Eher nicht – die Idee und die Skizzen stammen aus einem | |
alten Papier einer Arbeitsgruppe ihres Ressorts. Die Verwaltung, speziell | |
die Abteilungen für Stadtplanung der Stadtteile, seien unterbesetzt, findet | |
Wetjen. Gäbe es da mehr Stellen, kämen auch gute Ideen für Stadtgestaltung | |
besser voran, hofft er. Kommunale Politik ist für ihn offenbar vor allem | |
Verwaltungshandeln. | |
11 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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