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# taz.de -- Konservative in Südfrankreich: Das vergiftete Geschenk
> In Frankreich wollte sich Macrons Regierungspartei für die Regionalwahlen
> mit den Konservativen verbünden. Doch das ging gründlich schief.
Bild: Wahlplakate des bisherigen Präsidenten Renaud Muselier der südfranzösi…
Toulon taz | Für manche schien es wohl der perfekte Wahlpakt: Eine
gemeinsame Liste der Konservativen mit der Partei von Frankreichs Präsident
Emmanuel Macron für Frankreichs Regionalwahlen Ende Juni. Doch die
Bündnispläne haben sich für die konservativen Les Républicains (LR) als
vergiftetes Geschenk entpuppt – und vor der wichtigen Abstimmung die
Spaltungen innerhalb der Partei offengelegt.
Der bisherige Präsident der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte
d'Azur (PACA), Renaud Muselier, hatte zuvor schon Grund genug, sich Sorgen
um seine Wiederwahl zu machen. Denn 2015 hatten die Konservativen bei den
Regionalwahlen nur knapp gegen die Rechtsextremisten (damals angeführt von
Marion Maréchal Le Pen) gewonnen, weil die Sozialisten ihre Liste vor dem
zweiten Wahlgang zurückgezogen hatten.
Dieses Mal hat die extreme Rechte, Marine Le Pens „Rassemblement national“
(RN), echte Chancen, an der Côte d'Azur an die Macht zu kommen. Ihr
Spitzenkandidat, Thierry Mariani, ist ein Überläufer aus den Reihen der
Konservativen.
Nun kam die vermeintliche Hilfe von Emmanuel Macrons Regierungspartei La
République en marche (LREM): Überraschend kündigte [1][Premierminister Jean
Castex] in einer Sonntagszeitung an, er habe sich mit dem
LR-Spitzenkandidaten auf eine Allianz geeinigt. Folglich werde die LREM in
der Region PACA keine eigene Liste aufstellen, sondern mit mehreren Leuten
auf einer offenen LR-Liste kandidieren. Auch die Staatssekretärin Sophie
Cluzel (LREM), die ursprünglich eine Liste der Regierungsmehrheit in dieser
Region anführen sollte, war anscheinend überrumpelt von der Einladung, nun
bei den Konkurrenten von LR um einen Listenplatz betteln zu müssen.
## Brüske Wende
Eine Einheit LR-LREM wäre eine brüske Wende in der Bündnispolitik: Die
Konservativen sind in der Opposition und kritisieren die nationale
Regierungspolitik von Castex bei jeder Gelegenheit von rechts. Entsprechend
perplex war die konservative Parteizentrale in Paris, die von Muselier
nicht in seine Verhandlungen eingeweiht worden war.
Wie könne LR in Zukunft noch als Oppositionskraft glaubwürdig sein, wenn
sie bei Regionalwahlen offenbar dasselbe Programm hatte wie Macrons LREM?,
protestierte Parteichef Christian Jacob. Er drohte Muselier mit dem Entzug
der Nominierung als LR-Kandidat oder gar dem Parteiausschluss. Noch viel
heftiger protestierten Vertreter des rechten Flügels wie der LR-Abgeordnete
von Nizza, Eric Ciotti, ein Hardliner in der Sicherheitspolitik. Mehr denn
je wurde deutlich, wie gespalten die Konservativen sind.
Schon [2][bei der Gründung seiner Bewegung „En marche“ und seiner Wahl als
Präsident] hatte Emmanuel Macron nicht nur enttäuschte Sozialisten, sondern
auch zahlreiche prominente LR-Mitglieder abgeworben, unter ihnen den
jetzigen Regierungschef Castex und dessen Vorgänger Edouard Philippe. Die
Regionalwahlen sind für ihn bloß eine weitere Gelegenheit, sein Vorhaben,
die traditionellen Parteien auszuschalten, konsequent fortzusetzen. Das
Allianzangebot im Süden war eine freundliche Übernahmeofferte und ein
vergiftetes Geschenk. Wären sie darauf eingegangen, hätten die
Konservativen um ihre Existenz als unabhängige Kraft fürchten müssen.
Das musste auch Muselier nach einem langen Hin und Her einräumen. Er bleibt
schließlich offizieller Kandidat der konservativen Rechten – unter der
Bedingung, dass er keine Regierungsmitglieder oder andere bekannte
LREM-Politiker auf seiner Liste aufnimmt. Damit war explizit die
Staatssekretärin Sophie Cluzel gemeint, die so zum Spielball taktischer
Manöver wurde. Sie will nun trotzig doch noch mit einer eigenen Liste
antreten.
## Macron räumt abseits seiner Mitte ab
Das bürgerliche Lager insgesamt hat sich mit diesem von den Medien als
„Psychodrama“ beschriebenen Versuch einer Einheit gegen den Vormarsch der
extremen Rechten diskreditiert. Die einflussreichen Bürgermeister von Nizza
und Toulon, Christian Estrosi und Hubert Falco, die beide mit Macron
sympathisieren und Museliers Ankündigung einer Wahleinheit mit LREM lebhaft
begrüßt hatten, sind am Ende des Streits mit der Parteiführung aus LR
ausgetreten. Macrons Rechnung, links und rechts seiner Mitte abzuräumen,
geht also erneut auf.
Die nicht weniger gespaltene politische Linke im Süden kann nicht einmal so
etwas wie Schadenfreude genießen. Ihre eigene Rolle wird sich
voraussichtlich darauf beschränken, wie schon vor sechs Jahren bei der
Stichwahl um den Vorsitz zu Gunsten von LR oder LREM zu passen, um so
nochmals einen Sieg der Rechtsextremisten zu verhindern.
13 May 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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