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# taz.de -- ZDFneo-Serie „Schlafschafe“: 5-Minuten-Serien-Terrine
> Mit „Schlafschafe“ zeigt ZDFneo eine neue Dramaserie über eine
> verschwörungsgläubige Frau, die ihre Familie verwirrt. Doch die Ironie
> darin hinkt.
Bild: Verwirrspiel: Mutter Melanie, Vater Lars und Sohn Janosch in der Serie �…
Das Zweite und seine Formattitel-Neuerfindungen zum Zweiten – [1][nach der
„Sadcom“] in der Nacht von Montag auf Dienstag („Lu von Loser“) nun also
die „Instant-Dramaserie“: Programm aus der Mikrowelle, die
5-Minuten-Terrine unter Serien oder was?
Doch, das kann man schon mal anerkennen: Mit „Drinnen – Im Internet sind
alle gleich“ hatte die alte Tante ZDF damals, 2020, in kürzester Zeit ein
fertiges Serienprodukt serviert. Es war die perfekte Antwort auf die gerade
mal einen Monat währende Corona-Krise, kurzentschlosse gedreht mit der
wunderbaren Lavinia Wilson in ihrer eigenen Berliner Wohnung.
„Schlafschafe“ kommt nun (mit sechs Episoden um die 15 Minuten) im
Vergleich als das nicht ganz so schnelle Tiefkühlprodukt daher – und zwar
buchstäblich: Gedreht wurde, an den eisigen Außenverhältnissen erkennbar,
im vergangenen Winter. Da konnten die Serienschöpfer (Zarah Schrade und
Matthias Thönnissen) noch nichts wissen von #allesdichtmachen. Von den von
Dietrich Brüggemann und Volker Bruch initiierten Schauspieler-Videos gegen
das Corona-Management der Bundesregierung.
Vom Diskurs, ob Ironie, die bekanntlich nie verstanden wird, wirklich das
angemessene Diskurs-Mittel ist, es sterben doch täglich Menschen. Und ob
das alles überhaupt ironisch gemeint war oder nicht doch ganz ernst. Diese
letzte Frage stellt sich bei Ironie natürlich immer, weil sie ja
bekanntlich nie verstanden wird. Deshalb soll es sogar vorkommen, dass
Menschen etwas ernst meinen und hinterher als Ironie ausgeben, um so ihre
Haut (oder ihre Parteimitgliedschaft bei den Grünen) zu retten.
## Doppelte Ironie ist heikel
Besonders heikel wird es, wenn die Ironie als doppelte auftritt; wenn also
das zweifach uneigentlich Gesagte am Ende doch wortwörtlich zutrifft – ganz
so, als wäre es von Anfang an ernst gemeint gewesen. Und irgendwann wissen
selbst die nicht mehr weiter, die sich selbst für die weltgrößten
Ironie-Auskenner halten.
So kann es einem nämlich auch mit den „Schlafschafen“ gehen. Da geht es
also – er: „zwölfmal Weihnachten. Siebenmal Hochzeitstag. Viermal
umgezogen. Einmal Haus renoviert …“; sie: „… ein Kind gezeugt. Zwei
Waschmaschinen verschlissen. 624 x Donnerstags-Sex. 434 000 Euro gemeinsame
Schulden.“ – um eine ganz normale Kleinfamilie.
Nur dass der Mann sich unter den Bedingungen von Corona als Schlafschaf
erweist. Das heißt: als „Schlafschaf“. Die Anführungszeichen als
Ironie-Signal muss man sich dazu denken. [2][Der Normalo-Mann (Daniel
Donskoy)] ist also nicht eigentlich einer, der seine Augen nicht aufkriegt.
Er ist einfach nur normal geblieben, während seine Frau (Lisa Bitter, die
sich schon im Ludwigshafen-„Tatort“ dadurch unbeliebt gemacht hat, dass sie
den knuffigen Kopper weggemobbt hat) plötzlich nicht mehr alle Tassen im
Schrank hat – und nicht mehr alle Rauchmelder an der Decke: „Die lesen
unseren Atem aus … Es hängt alles zusammen, Lars. Dieses Virus ist von
Menschen gemacht. Und es räumt auf. Ist doch kein Zufall, dass es die Alten
und die Kranken zuerst erwischt. Die Bevölkerung wird reduziert.“
## Nur ein Kunstexperiment?
Nun könnte man meinen, das ZDF hat sich mal wieder an seinen
Programmauftrag erinnert, möchte seinen Beitrag leisten, will eine
Anleitung bereitstellen, wie man mit Querdenker-Verschwörungstheoretikern
in seinem engsten Umfeld umgehen soll. Wie argumentieren, wie Empathie
zeigen, auch wenn es schwerfällt, wie das Kind vor der eigenen Mutter
schützen.
Nun sind wir hier aber nicht beim biederen, alten „Telekolleg“ – sondern
beim hippen, jungen ZDFneo. Es kann zwar am Ende genau so pädagogisch-ernst
gemeint sein. Es muss aber gleichwohl mit einem irgendwie lustigen –
ironischen – Augenzwinkern daherkommen.
„Der schwarze Satellit will, dass wir krank werden. Das nächste Virus kommt
von dem schwarzen Satelliten, und es wird sich die holen, die die Masken
tragen“, hat die Mama ihrem Sohn erzählt, dem Erstklässler. Den schwarzen
Satelliten hat – Vorsicht: Spoiler – ein jugendlicher Nachwuchskünstler aus
Knetmasse zusammengeknetet und dann im Netz auf die Reise geschickt.
So ähnlich gingen doch zuletzt die Geschichten um den Berliner Künstler
Sebastian Bieniek und sein „Sabmyk Network“ auf Telegram: [3][Mit
antisemitischer Propaganda] eine Million QAnon-Spinner angefixt – und am
Ende war alles nur ein Kunstexperiment. Haha. Schnelle Serien-Küche, aber
von der Realität überholt? Die Ironie der Geschichte wäre da auch noch so
eine Kategorie.
12 May 2021
## LINKS
[1] /Neue-ZDF-Serie-Lu-fuer-Loser/!5766110
[2] /WDR-Sendung-Freitagnacht-Jews/!5762560
[3] /Antisemitische-RB-Leipzig-Kritik/!5766520
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
TV-Serien
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