# taz.de -- Neonazis in Sachsen: Unwillkommener Zuzug | |
> Eine neue Broschüre dokumentiert den zunehmenden Zuzug der rechten Szene | |
> nach Sachsen. Chemnitz ist ein Anker. | |
Bild: Rechtsextreme Demonstranten in Chemnitz im Mai 2021 | |
Leipzig taz | Grit Hanneforth nennt es ein flächendeckendes Problem. Die | |
Rede ist von Sachsen und seinen zunehmenden Ansiedlungen von Projekten der | |
rechten Szene in nahezu allen Landkreisen des Freistaates. Hanneforth weiß, | |
wovon sie spricht. Als Geschäftsführerin des [1][Kulturbüros Sachsen ist | |
sie bereits seit] mehreren Jahren an der Veröffentlichung der Broschüre | |
„Sachsen rechts unten“ beteiligt. Am Freitag legte das Kulturbüro die | |
aktuelle Ausgabe der jährlich neu erscheinenden Broschüre vor. | |
Es sind insgesamt über 81 Immobilien, die in Sachsen von der rechten Szene | |
genutzt werden. Die rechte Initiative „Zusammenrücken“ rund um den Neonazi | |
Michael Brück konzentriert sich auf Sachsen. Grund für den Zuzug sei | |
größere Offenheit gegenüber rechten Positionen seitens der sächsischen | |
Bevölkerung, hatte Brück erklärt. | |
Gerade in Chemnitz ist die rechte Szene durch das Kaufen und Bewirtschaften | |
von Immobilien in Erscheinung getreten. „Die Stadt ist aus der Sicht der | |
rechten Szene der ideale Ort für die Neugründung rechter Projekte“, sagt | |
Steven Seiffert, Mitarbeiter des Kulturbüros Sachen. Der massenhafte Zuzug | |
von Protagonist*innen der rechten Szene, die teilweise vorher im | |
Ruhrgebiet ansässig waren, passiert keineswegs zufällig und ist auch nicht | |
neu. | |
„Chemnitz ist bereits seit den 1990er-Jahren ein fester Anker für die | |
sächsische und bundesdeutsche neonazistische Szene“, heißt es in der | |
Broschüre. Immer wieder fanden im Stadtgebiet sogenannte | |
„Zeitzeugengespräche“ mit ehemaligen Angehörigen der SS, | |
„Soldatenweihnachten“ und ein Vortrag mit der verurteilten | |
Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck statt. | |
## Immobilien sind preisgünstig | |
Das Stadtbild von Chemnitz ist darüber hinaus in Stadtteilen wie dem | |
Sonnenberg oder in Ebersdorf von verfallenden Gebäuden geprägt. Dort | |
Immobilien zu erwerben, birgt keine großen Hürden, auch für die rechte | |
Szene nicht. Auch die räumliche Nähe zur rechten Szene in Nordsachsen und | |
im Erzgebirge scheint ein weiterer Grund für die Attraktivität der Stadt | |
für rechte Umtriebe zu sein, sagt Seiffert. | |
Zu den bestehenden Projekten hat sich nun ein weiteres gesellt. „Die neue | |
Immobilie in Ebersdorf ist ein Experimentierfeld für Rechte in Chemnitz“, | |
so Seiffert. Das Objekt wurde bereits 2013 erworben. Allerdings sei das | |
Objekt kein Veranstaltungsort, so dass es bisher eher unter dem Radar lief, | |
erklärt Seiffert. Die Immobilie scheint szeneintern eine Art | |
Scharnierfunktion zu besitzen, wo in Ruhe Veranstaltungen geplant werden | |
können und rechte Initiativen und Szenemitglieder ihre Briefkästen | |
anbringen. Martin Kohlmann, der dort tätig ist, war bereits vorher in der | |
rechten Szene bekannt. | |
[2][Kohlmann hatte die rechte Partei Pro Chemnitz] gegründet, welche sich | |
massiv gegen die Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland richtet. In | |
jedem Fall führe dies zu einer weiteren Stärkung der dortigen rechten | |
Szene, sagt Seiffert. Es ist bereits die zweite Immobilie in der | |
Frankenberger Straße, die der extremen Rechten als Dreh- und Angelpunkt | |
ihrer Aktivitäten dient. | |
## Protagonisten fühlen sich unbeobachtet | |
„Das Objekt in der Frankenberger Straße schließt dabei eine gewisse Lücke | |
in der szeneinternen Arbeitsteilung“, heißt es in der Broschüre. Lange | |
konnten sich Protagonist*innen der rechten Szene hier weitestgehend | |
unbeobachtet fühlen. So hat das Haus sehr wahrscheinlich neben praktischen | |
Zwecken, wie der Lagerung von Material, auf mehreren Ebenen einen | |
schützenden Effekt für die Szene, so das Kulturbüro in seiner Broschüre. | |
Das Haus in der Frankenberger Straße bot bisher immer wieder Neonazis die | |
Möglichkeit, von hier aus ihre Geschäfte zu tätigen. So befinden sich hier | |
auch die Geschäftsräume des Vereins Sport und Bildung e.V., der einst in | |
Martin Kohlmanns Anwaltskanzlei gegründet wurde. Größere Öffentlichkeit | |
dagegen genoss das sogenannte „Nationale Zentrum“ in der Markersdorfer | |
Straße. Dieses dient bereits seit Längerem als Ort rechter Veranstaltungen. | |
Bisher schien es die tragende Rolle zu spielen. | |
Nicht nur mehrt sich die Zahl rechter Kader in Sachsen durch Zuzüge. Es | |
zeige sich auch eine deutliche Professionalisierung der Szene und dass der | |
Umgang mit dieser dahingehend sensibilisiert werden müsse, so Seiffert. | |
„Öffentlichkeit, sofern sie nicht durch die Rechten selbst hergestellt | |
wurde, kann hier durchaus eine Störung für die rechte Organisation sein. Da | |
kann man auf jeden Fall zivilgesellschaftlich ansetzen“, sagt der | |
Kulturbüro-Mitarbeiter. | |
Strategien, um rechte Strukturen vor Ort wieder zu zerschlagen, gibt es | |
laut dem Kulturbüro Sachsen durchaus. Als Beispiel gilt der Umgang mit dem | |
rechten Verein Gedenkstätte Borna e.V. Zivilgesellschaftliches Engagement | |
und Presseöffentlichkeit haben hier letztlich dazu geführt, dass der | |
Standort für die rechte Szene nicht zu halten war. 2008 habe dies das | |
Gründungsnetzwerk des freien Netzes empfindlich gestört. | |
Aktualisiert am 10.05.2021 um 08:45 Uhr. In einer früheren Version des | |
Textes hieß es, Martin Kohlmann sei Eigentümer des Hauses in der | |
Frankenberger Straße. Das ist falsch. Kohlmann tätigt dort lediglich | |
Vereinsgeschäfte. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. d. R. | |
9 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://kulturbuero-sachsen.de/dokumente/ | |
[2] /Pro-Chemnitz-und-Gegendemos/!5620534 | |
## AUTOREN | |
Jessica Ramczik | |
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