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# taz.de -- Anti-Drogen-Einsatz in Brasilien: Blutbad in der Favela
> Bei einem Polizeieinsatz im Norden von Rio de Janeiro sterben 25
> Menschen. Es war der blutigste Einsatz in der Stadtgeschichte.
Bild: Polizisten während des Einsatzes gegen Drogendealer in der Favela Jacare…
Berlin taz | Mit Wasser aus Eimern versuchten die Bewohner*innen der
Favela Jacarezinho die Blutlachen wegzuspülen. Es sind grausame Videos, die
in sozialen Medien zirkulieren. 25 Menschen starben am Donnerstag bei einem
Polizeieinsatz im Norden von Rio de Janeiro. Es war der blutigste
Polizeieinsatz in der Geschichte der Stadt.
Polizist*innen und Drogendealer*innen hatten sich seit den
Morgenstunden heftige Gefechte geliefert. Mit mehr als 200 schwer
bewaffneten Beamt*innen, Scharfschütz*innen und Hubschraubern rückte die
Polizei in die Favela vor. Bei der Opfern soll es sich um 24 Mitglieder des
Comando Vermelho (Rotes Kommando) und einen Beamten der Anti-Drogen-Einheit
der Zivilpolizei handeln. Die Schusswechsel waren so stark, dass sogar zwei
Passagiere eines vorbeifahrenden Zuges durch verirrte Kugeln verletzt
wurden. Die Polizisten nahmen sechs Personen fest, beschlagnahmten Drogen
und Waffen.
„Ich bin sehr zufrieden mit dem Einsatz“, erklärte der stellvertretende
Polizeichef von Rio de Janeiro, Rodrigo Oliveira, auf einer
Pressekonferenz. Auch [1][viele rechte Medien] lobten den Einsatz. Soziale
Bewegungen und Favela-Organisationen sprechen derweil von einem „Massaker“
und erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei.
Sie streiten ab, dass alle Opfer bewaffnet waren, einige der Opfer sollen
„hingerichtet“ worden sein. Ein Toter soll von Polizisten auf einen Stuhl
gesetzt worden sein und den Daumen in den Mund gesteckt bekommen haben.
Zudem berichten Bewohner*innen von weiteren schweren
Menschenrechtsverletzungen: Polizist*innen sollen in Häuser
eingebrochen sein, Zeug*innen attackiert und Handys beschlagnahmt haben.
## Umstrittene Einsätze in der Pandemie
„In Brasilien gibt es keine Todesstrafe“, sagte die linke Politikerin
Renata Souza [2][in einem Twitter-Video]. „Deshalb darf die Polizei nicht
entscheiden, wer zu leben und zu sterben hat.“ Der Oberste Gerichtshof
hatte Polizeieinsätze während der Pandemie eigentlich ausgesetzt und nur
noch in „absoluten Ausnahmesituationen“ erlaubt.
Nach der Entscheidung gingen die Polizeioperationen tatsächlich zurück,
doch sollen sie laut Favela-Bewohner*innen in den letzten Monaten wieder
stark zugenommen haben. Die Polizei von Rio de Janeiro erklärte derweil,
bei dem gestrigen Einsatz alle Vorgaben des Obersten Gerichtshofes
eingehalten zu haben.
„So traurig es auch ist: Der Einsatz gestern war nichts Neues. Polizisten
dringen in Favelas ein, treffen auf bewaffneten Widerstand und es kommt zu
vielen Toten“, sagt der deutsche Kriminologe Dennis Pauschinger, der an der
Université de Neuchâtel im schweizerischen Neuenburg zu Polizei und Innerer
Sicherheit in Brasilien forscht, der taz. In Rio de Janeiro herrsche eine
„Kriegslogik“, befeuert von Politik, Medien und der Polizei. „Deshalb ist
leider damit zu rechnen, dass so etwas immer wieder passiert“, meint
Pauschinger, der die nun im Fokus stehende Polizeieinheit in Rahmen seiner
Forschung begleitete.
Immer wieder kommt es in den Favelas von Rio de Janeiro zu schweren
[3][Gefechten zwischen Polizei und schwer bewaffneten Drogendealern]. In
keinem anderen Land der Welt sterben so viele Menschen bei Polizeieinsätzen
wie in Brasilien: Im Jahr 2019 töteten Sicherheitskräfte 5.804 Menschen.
Häufig geraten auch Unschuldige in den Kugelhagel. Alleine im Jahr 2020
wurde zehn Kinder durch verirrte Kugeln getötet.
7 May 2021
## LINKS
[1] /Reality-TV-in-Brasilien/!5739025
[2] https://twitter.com/renatasouzario/status/1390370554755043333
[3] /Polizeigewalt-in-Brasilien/!5689572
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
Brasilien
Drogen
Polizeigewalt
Brasilien
Brasilien
Schwerpunkt LGBTQIA
Brasilien
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