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# taz.de -- In der hiesigen Debattenkultur: Unverfrorenheit von Sassiness
> Sassiness ist ein Selbstschutz gegen Homophobie und Normendruck. Mit ihr
> lassen sich einige Schicksale abwenden.
Bild: „Sassy“ heißt so viel wie frech, unverfroren, anmaßend
Aus frühen Youtube-Zeiten stammt die Figur des „sassy gay friend“. Der trat
als eine Art Schutzengel auf für die unglückseligen Frauenfiguren bei
Shakespeare. Ofelia, Lady Macbeth, Julia: Er erschien immer dann, wenn die
berühmte Protagonistin gerade kurz davor war, sich für irgendeine fixe Idee
wie Liebe, Ehre oder Treue in den nächsten See oder Dolch zu schmeißen. Die
Pointe der Miniserie war immer: „Ihr Schicksal wäre abwendbar gewesen,
hätte sie einen sassy gay friend gehabt.“
Das englische Wort „sassy“ ist eng verbunden mit Queersein. „Sassy“ hei…
so viel wie frech, unverfroren, anmaßend. Es klingt nur eben nicht so doof
wie diese deutschen Wörter, weshalb man hierzulande, vermittelt über die
Netzkultur, auch immer häufiger mal „sassy“ hört.
Sassy, das heißt Widerworte, Respektlosigkeit, oft mit schmutzigen
Anspielungen. In der Unverfrorenheit von Sassiness steckt oft auch ein
bisschen Courage – und immer jede Menge Sarkasmus. Frechheit ist wichtig,
wenn man regelmäßig konfrontiert ist mit Blödsinn, [1][der als sinnvoll
oder normal verkauft wird]. Wie beim „sassy gay friend“: Shakespearesche
Frauen (und die Männer übrigens auch) leiden und gehen zugrunde an absurden
gesellschaftlichen Erwartungen, die sie internalisiert haben. Ideen von
Romantik, Ehrgeiz und Treue binden sie an ihre idiotischen Typen, bis
schließlich der Tod sogar attraktiver wirkt. Der „sassy gay friend“
hingegen sagt: Überprüf mal deine Grundhaltung! Wie bist du hier her
gekommen?
## „Es gibt leider immer noch Heteros“
Das Ganze ist natürlich auch ein schlimmes Klischee – und deswegen an
dieser Stelle die kurze Erinnerung, dass schwule Männer und queer people
nicht dazu auf die Welt gekommen sind, um cis-het Leute aus ihren
Für-immer-und-ewig-Fantasien zu befreien. Sassiness ist eigentlich ein
Selbstschutzmechanismus gegen Homophobie und Normendruck, gerade wenn diese
freundlich oder als Debatte daherkommen. Wenn jemand etwas Dummes sagt, wie
zum Beipiel dass für „Schwule doch jetzt alles gut sei“, dann kann ich den
Ärger entweder in mich reinfressen oder der Person eine klatschen. Die
dritte, friedliche Option ist eine sassy Entgegnung, zum Beipiel „Nicht
ganz, denn es gibt leider immer noch Heteros“, auf diese Weise umgehe ich
die Anwendung körperlicher Gewalt. Gern geschehen.
Man kann Sassiness aber überall anwenden, es muss nicht immer mit Queerness
zu tun haben. Gerade in diesen Zeiten wird man mit jeder Menge Blödsinn
konfrontiert, zu dem man sich bitte gesittet äußern soll. Wir haben ja
schließlich eine Debattenkultur, denkt sich die Zeit und lädt [2][Jan Josef
Liefers nach seiner Inkohärenz-Einlage] von letzter Woche zum Gespräch.
Dieses Schicksal wäre abwendbar gewesen.
Man muss nicht jedes Gesprächsangebot annehmen, nur weil es mit ruhiger
Stimme und geschulter Aussprache vorgetragen wird – oder sich auf Begriffe
beruft, die irgendwie allgemeingültig klingen. Für die liberale „anything
goes“-Diskursmitte ist das ein unerhörter Gedanke. Für Queers zumindest ist
es ein wichtiges Überlebensmotto. Der „sassy gay friend“ erinnert uns
daran.
30 Apr 2021
## LINKS
[1] /Identitaetspolitik-in-linken-Szenen/!5758392
[2] /Aktion-allesdichtmachen-im-Netz/!5763320
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Kolumne Unisex
Schwerpunkt LGBTQIA
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Feminismus
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