| # taz.de -- Bremer Geflüchtete bleiben allein: Mentor*innen gesucht | |
| > Wegen der Pandemie engagieren sich weniger Bremer*innen für die | |
| > Integration von Geflüchteten. Der Verein Fluchtraum sucht nach | |
| > Ehrenamtlichen. | |
| Bild: Geflüchtete brauchen Unterstützung im Alltag | |
| Bremen taz | Um 50 Prozent zurückgegangen ist im vergangenen Jahr die Zahl | |
| derer, die als Mentor*innen Geflüchtete in ihrem Alltag unterstützen. | |
| Das berichtet die Initiative „Fluchtraum“. Der Bremer Verein vermittelt | |
| Mentor*innen und Mentees und bietet Schulungen für die Freiwilligen an. | |
| Dass weniger Ehrenamtliche kommen, habe vor allem eine Ursache, sagt Hannah | |
| Dehning von Fluchtraum: Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus. | |
| Dehning sagt, dass es durchaus Bremer*innen gab, die sich für eine | |
| Mentorenschaft interessierten. Für eine aktive Unterstützung hätten sich | |
| dann allerdings viel weniger Menschen entschieden. Die Leute hätten Angst, | |
| „weil es sich um junge Geflüchtete handelt“, sagt Dehning – die meisten | |
| Mentees sind zwischen 16 und 27 Jahre alt. | |
| Sie werden vor allem mit zwei Vorurteilen konfrontiert: Sie leben in | |
| Sammelunterkünften und seien dort einem höhere Infektionsrisiko ausgesetzt. | |
| Und: Als junge Menschen seien sie mehr unterwegs und träfen mehr Personen | |
| als ältere. Dabei leben gar nicht alle Geflüchteten, die Fluchtraum | |
| betreut, in einer solchen Sammelunterkunft. Alle brauchen allerdings Hilfe, | |
| sei es bei Amtsbesuchen, Hausaufgaben oder um sich weniger alleine zu | |
| fühlen in einer Stadt, in der sie möglicherweise noch niemanden kennen. | |
| Gerade warten zwölf junge Menschen allein bei Fluchtraum auf solche | |
| Unterstützung. Ihre Not ist mit Beginn der Pandemie nicht verschwunden. | |
| André Liebegott hat sich von Corona nicht abbringen lassen: „Ich habe zwei | |
| Klappstühle mitgenommen, Tee und Kekse und dann saßen wir mal draußen an | |
| der Wümme, mal an der Weser“, erzählt der 67-Jährige. Er ist seit | |
| anderthalb Jahren der Mentor des 21-jährigen Ahmad Shanwan, der aus Syrien | |
| geflüchtet ist. Die beiden passten ihre Treffen an die Pandemie an und | |
| trafen sie sich meisten an der frischen Luft. | |
| André Liebegott und Ahmad Shanwan sehen sich alle ein bis zwei Wochen. Am | |
| Anfang ging es vor allem darum, dass Shanwan einen Ausbildungsplatz | |
| bekommt. Liebegott hat früher als Lehrer an einer Gesamtschule in | |
| Niedersachsen gearbeitet und war dort auch in der Berufsvermittlung tätig. | |
| „Das war also genau mein Metier“, sagt er. | |
| „Jede Mentorenschaft ist unterschiedlich“, sagt Hannah Dehning. Beide | |
| Parteien, Mentees und Mentor*innen könnten am Anfang in | |
| Beratungsgesprächen sagen, was sie jeweils von der Zusammenarbeit erwarten | |
| und wie viel sie leisten können. | |
| „Ich war froh“, sagt Liebegott, „dass ich mich für dieses kleine Fenster | |
| Berufsbegleitung entschieden habe. Mit Ahmad hatte ich Glück.“ Zusammen | |
| haben beide konkrete Sachen erreicht: Ahmad Shanwan hat einen Ausbildung | |
| zum Elektriker begonnen, die Probezeit erfolgreich abgeschlossen und kommt | |
| nach Startschwierigkeiten nun auch in der Berufsschule zurecht. | |
| Rentner Liebegott hat Shanwan geholfen, Sachen in Ordnern zu organisieren, | |
| ihn zu Terminen begleitet und ihm Nachhilfe gegeben. Das habe sich auch für | |
| ihn persönlich gelohnt. „Für mich war es ein Highlight, ihn auf der | |
| Baustelle an seinem Arbeitsplatz zu sehen. Das ist einfach stimmig“, | |
| erzählt Liebegott. Anstrengende Phasen habe es natürlich auch gegeben: | |
| Shanwan überlegte, seine Ausbildung abzubrechen. | |
| Für viele ist die Mentor*in auch die einzige richtige Bezugsperson in | |
| Deutschland. „Außer meiner Betreuerin habe ich hier niemanden“, erzählt | |
| Saikou Jallow. Er ist gerade 18 und aus Gambia geflüchtet. Seine Mentorin | |
| hilft ihm seit einem Jahr bei Briefen, vereinbart für ihn Termine bei | |
| Therapeuten, die er sonst nur schwer bekommt. Sie macht für ihn das, was | |
| der Staat nicht leistet. | |
| Für das laufende Jahr ist noch unklar, wie sich die Zahl der | |
| Mentor*innen entwickelt. Der Bedarf an freiwilligen Helfer*innen | |
| bleibt aber. Über Mail oder Telefon können sich Interessierte bei | |
| Fluchtraum melden. „Wir erwarten keine Expert*innen, sondern Menschen, die | |
| mit beiden Beinen im Leben stehen, offen und empathisch sind“, sagt | |
| Dehning. | |
| 19 May 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Bullerdiek | |
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