# taz.de -- Fehlende Soldarität unter Müttern: Alles Jammerlappen außer Mutti | |
> Immer wieder stellen Eltern die Existenz struktureller Missstände in | |
> Frage, weil sie sie persönlich nicht kennen. Warum fällt es so schwer, | |
> solidarisch zu sein? | |
Bild: Nur weil dein Kind nicht ständig schreit, heißt es nicht, dass andere n… | |
Wenn Eltern über das Elternsein schreiben, dann erzählen sie entweder | |
lustige Geschichten über Kinder, Essen, Fäkalien und Familienleben oder sie | |
schreiben über die Strukturen der Gesellschaft. Über diese Strukturen gibt | |
es zwei Arten von Texten. Die einen sollen Missstände aufzeigen, die Eltern | |
erfahren: etwa einen [1][Mangel an Kinderbetreuung] oder die Last von | |
Care-Arbeit. Die anderen Texte hingegen sollen diese strukturellen | |
Missstände in Frage stellen, und zwar mit nur einem, recht eigenwilligen | |
Argument: dass die Autor:innen solche Probleme nicht kennen oder sich | |
dabei zumindest nicht so angestellt haben. | |
Immer wenn ich so einen Text lese, frage ich mich, was das für ein Reflex | |
ist. Wieso versucht man anderen die Schwierigkeiten abzusprechen anhand der | |
eigenen Biografie? Wozu? Das ist nicht nur offensichtlich schwach | |
argumentiert, es ist auch unsolidarisch. Außerdem findet sich doch immer | |
jemand, für den große gesellschaftliche Missstände kein Problem sind. | |
Jemand, der sagt: Stellt euch nicht so an. Bestimmt findet man jemand, der | |
Hartz IV bezieht und gut findet. Eine Frau, die Feminismus für überflüssig | |
hält. Einen Betroffenen, dem Rassismus gar nichts ausmacht. Oder Menschen, | |
die zufrieden sind mit der CDU in der Regierung. Und dann? Genau, nix dann. | |
Mir geht es gar nicht darum, einzelne Eltern zu verurteilen, weil sie sich | |
zeitweise über andere Eltern erhöhen. Wahrscheinlich haben wir das | |
unbedacht alle schon einmal gemacht. Vielleicht nicht in einem Text, | |
vielleicht nicht zu strukturellen Problemen, vielleicht in einem Gespräch | |
auf dem Spielplatz über Ess-, Schlaf- und Spielgewohnheiten. Kennt man | |
doch, diese Gespräche: „Wie, du stehst nachts noch so oft auf? Also meiner | |
schläft ja durch, seit er ein Embryo war.“ Gespräche, die einem Elternteil | |
mit monatelangem Schlafmangel in etwa so guttun wie ein Tritt in den Magen. | |
Aber wieso ist es so schwer für Eltern [2][und vor allem für Mütter], sich | |
solidarisch zu verhalten und auf ein hilfloses „Ich kann das nicht, mir | |
fällt das schwer“ nicht schadenfroh zu rufen: „Aber ich kann das, mir fäl… | |
das gar nicht schwer, du Jammerlappen!“ So will doch eigentlich niemand | |
sein. | |
Die einzige Erklärung, die mir plausibel erscheint, ist, dass wohl gerade | |
Mütter hoffen, so für Erreichtes endlich mal gelobt zu werden. Weil es sie | |
so sehr dürstet nach Anerkennung für den Arsch voll Arbeit und die ganzen | |
Sorgen, die sie seit der ersten ausgetragenen Schwangerschaft nebenbei | |
wuppen. Endlich ein kleines bisschen Applaus. Einmal groß sein, wenn es | |
sein muss, auch mit einem Fuß auf dem Rücken einer anderen Mutter. | |
Ich denke, es handelt sich mal wieder um das Symptom eines strukturellen | |
Problems. Und ich freue mich schon jetzt auf den Leser:innenbrief, der | |
so sicher kommen wird wie die nächste volle Windel des Babys, der mir | |
erklären wird, dass das kein strukturelles Problem ist und ich mich einfach | |
nicht so anstellen soll. | |
11 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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