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# taz.de -- Über die Annäherung an den Gegner: Wie man SUV-Fahrer:innen anspr…
> Da fasst man endlich den Mut, eine SUV-Fahrerin nach der Wahl ihres
> Fahrzeugs zu befragen, aber dann stellen sich doch Zweifel am Vorgehen
> ein.
Bild: Gegen SUVs spricht vieles. Interessant wäre zu erfahren: Was spricht daf…
Kürzlich fragte ich eine Frau, die neben ihrem SUV telefonierte, warum sie
so ein Auto fahre. Das Auto war die Mutter aller SUVs, es war so groß, dass
die Autos daneben wie alberne Spielzeuge aussahen. Die Frau war mittelalt
und aufwendig geschminkt. Ich war gerade aus einer Schneiderei gekommen und
hörte, wie sie ins Telefon sagte, dass sie unglaublich dankbar wäre, wenn
sie Klebemittel für Wimpern bekäme. Das Telefonat wirkte ein bisschen
unwirklich, so wie das Auto, aber es machte die Frau auch nahbar, weil in
ihrem Leben der gleiche Mangel an Organisiertheit aufschien wie in meinem.
„Entschuldigung“, sagte ich zu ihr, „darf ich Sie etwas zu Ihrem Auto
fragen?“ – „Habe ich falsch geparkt?“, fragte sie. – „Nein, das hei…
weiß es nicht“, meinte ich, „aber mich regen die SUVs wahnsinnig auf und
statt sie aus der Ferne böse anzusehen, wollte ich schon lange jemanden
fragen, warum man so ein Auto fährt.“ Während ich es sagte, war mir bereits
klar, dass das keine einladende Frage war.
„Es ist nicht mein Auto“, sagte die Frau, „es gehört einem Freund und er
hat es mir geliehen, weil meins in der Werkstatt ist. Ich habe eine
Bäckerei und brauche ein Auto, mit dem ich Dinge transportieren kann.“ Aber
dann drehte sich das Gespräch und die Frau wurde zornig: „Wieso fragen Sie
mich das“, fragte die Frau, „wenn Sie die SUV-Fahrer eh hassen?“ – „I…
habe ja nicht hassen gesagt, ich habe gesagt: Sie regen mich auf.“ Wir
stritten kurz darüber, was ich gesagt hatte und ich versuchte es mit etwas
Diplomatischem: „Ich habe Sie gefragt, weil Sie sympathisch aussehen, sonst
hätte ich mich nicht getraut.“
Die Frau blieb unbeeindruckt. „Die Regierung müsste die SUVs verbieten,
sonst werden sie auch gefahren“, sagte sie, und ich dachte, dass sie die
Sache damit auf den Punkt gebracht habe. Da merkte ich, dass hinter uns
jemand stand: Es war der Änderungsschneider, mit dem ich befreundet bin,
und plötzlich wurde mir klar, dass er auch mit der SUV-Fahrerin befreundet
sein könnte.
## Ein diskret verpackter Vorwurf
„Vielen Dank, ich muss jetzt weiter“, sagte ich hastig, und die Fahrerin
wünschte mir gute Fahrt: „Seien Sie vorsichtig mit Ihrem Fahrrad“, sagte
sie und hatte recht, denn die Bremsen sind bloße Attrappe. An der nächsten
Kreuzung sah ich zu spät einen silbernen SUV und bremste abrupt. „Meine
Güte!“, schrie ich. Der SUV fuhr an den Straßenrand, und [1][der Ethikrat]
ließ sich mühsam von den hohen Sitzen gleiten. Der Rat, das sind drei
Herren von geringer Größe, die mir gelegentlich Handreichungen in
praktischer Ethik geben.
„Ich wusste nicht, dass Sie Auto fahren“, sagte ich und fand, dass es ein
diskret verpackter Vorwurf war. Ich hatte mir den Ethikrat eindeutig auf
Hollandrädern vorgestellt. „Wir machen eine Probefahrt“, sagte der
Ratsvorsitzende und tätschelte das Auto, als sei es ein Pferd. „Es ist ein
3-Liter-Auto, das unsere Aufmerksamkeit durch einen sehr vorteilhaften
Platz im Test eines alternativen Verkehrsklubs gefunden hat.“
„Aha“, sagte ich lahm und dachte an unseren uralten Kombi, der nirgends
vorteilhaft abschneiden würde. „Haben Sie noch kurz Zeit für eine ethische
Alltagsfrage?“ – „Aber ja“, sagte der Ratsvorsitzende. „Ist es falsch…
eine herausfordernde Frage jemanden zu suchen, der mittel wehrhaft wirkt?“,
fragte ich. „Also für die Begründung, warum man SUV fährt, nicht einen
Halbstarken mit Halbweltanmutung, und auch nicht einen Barbour-Jackenträger
mit Golfausstattung?“
Die beiden Ratsmitglieder, die immer schwiegen, wandten ihre Aufmerksamkeit
dem Armaturenbrett des SUVs zu, das einem Flugzeug entliehen schien. Ich
wandte mich an den Ratsvorsitzenden: „Ein Verkehrsforscher sagte mir mal,
dass es sinnlos sei, bei der SUV-Frage individuell anzusetzen. Man brauche
politische Lösungen. Aber bis dahin muss ich ja irgendwo hin mit meinem
Zorn.“ – „Ein kluger Mann, dieser Verkehrsforscher“, sagte der
Ratsvorsitzende, aber dann lösten seine Kollegen die Alarmanlage aus, und
er widmete seine Aufmerksamkeit dem vorteilhaften Auto.
9 May 2021
## LINKS
[1] /Ueber-die-Schwierigkeit-sich-zu-wehren/!5762414
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
SUV
Kolumne Ethikrat
Umweltbilanz
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