Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Frankreichs Elitehochschule vor dem Aus: Macron macht der ENA den G…
> Die Elitehochschule hat in Frankreich etliche Präsidenten und
> Minister:innen ausgebildet – auch den jetzigen Staatschef. Nun soll
> Schluss sein.
Bild: Eingang zur französischen Elitehochschule ENA in Paris
Paris taz | Aus für Frankreichs Kaderschmiede: Bei einer Videokonferenz mit
mehr als zweihundert „Staatsmanagern“, wie er die Spitzenbeamten nun nennen
möchte, hat Staatspräsident Emmanuel Macron in der vergangenen Woche sein
Versprechen bestätigt, dass er die Verwaltungshochschule ENA abschaffen
will. Aus der [1][École Nationale d’Administration] gingen seit Kriegsende
die höchsten Staatsdiener hervor. Noch vor Ende seines Mandats in 2022 soll
eine Reform in Kraft treten, mit der die Elitehochschule durch ein
„Institut des öffentlichen Diensts“ (ISP) ersetzt werde, in das auch andere
Schulen integriert würden.
Das erklärte Ziel ist es, eine weniger zentralisierte Ausbildungsstätte zu
schaffen, die nicht wie die ENA einem technokratischen Elfenbeinturm
gleicht. Die neuen Staatsdiener:innen sollen mehr auf dem „Terrain“,
mit praktischer Erfahrung aus der lokalen Realität ausgebildet werden. Auch
mit gewissen Privilegien soll Schluss gemacht werden, wie etwa den
lebenslangen Renten oder dem Kündigungsschutz, der bisher den
Abgänger:innen der ENA nach ihrem erfolgreichen Abschluss als Belohnung
winkt.
Pikant daran ist, [2][dass Macron selber ein Produkt dieser Eliteschule
ist], die er jetzt schleifen will. Vor ihm waren schon Präsidenten wie
Valéry Giscrad d’Estaing, Jacques Chirac, François Hollande und zahllose
Regierungsmitglieder in dieser Verwaltungshochschule für ihre Laufbahn an
der Spitze des Staatsapparats ausgebildet worden.
Wer, meist nach einem Diplom an der Pariser Hochschule für Politologie
Sciences-Po, im sehr strengen Ausscheidungsverfahren für die dreijährige
Ausbildung aufgenommen wurde, hatte eine staatlich garantierte Karriere vor
sich. In der Reihenfolge ihrer Abschlussnoten können bis heute die
ENA-Abgänger ihre Korporation (Finanzinspektion, Rechnungshof, Staatsrat,
et cetera) auswählen, von der sie dann auf Lebenszeit ihre Rente beziehen.
Die Alumni der ENA, die „Énarques“, bilden eine Kaste in der egalitären
Republik.
Für weite Teile der Bevölkerung verkörpert die ENA, die ihren Sitz heute in
Straßburg in einem ehemaligen Gefängnis hat, mehr als jede andere
Institution die verhasste Elite von „Technokraten“, die zwar in der Lage
sind, zu jedem beliebigen Thema Berichte oder Gesetzestexte zu verfassen,
von der Realität der meisten Mitbürger:innen aber keinen Dunst haben.
## Zugeständnis an den Volkszorn
Diesen Eindruck bestätigt die soziologische Zusammensetzung der jeweiligen
ENA-Klassen, in der laut einer Erhebung im Jahr 2015 Studierende aus
Arbeiterfamilien nur gerade 4,4 Prozent der Plätze ergattern konnten. In
der Gesellschaft machen sie einen Anteil von 29 Prozent der 18- bis
23-Jährigen aus.
Macron hatte im Februar dieses Jahres bereits mit einer kleinen Reform der
Aufnahmekriterien und Stipendien den Zugang zu einem Fünftel der Plätze für
Studierende aus sozial und kulturell benachteiligten Familien reserviert.
Damit sollte das Image einer Institution, in der eine Elite ihre eigenen
Kinder und ihresgleichen fördert, korrigiert werden. Seit Langem weiß man
in Frankreich, dass nicht nur in der ENA der „Aufzug“ des sozialen
Aufstiegs, der nach Leistung und Talent und nicht nach Herkunft und
Protektion befördert, außer Betrieb ist.
Die angekündigte „Abschaffung“ der ENA ist, wie in den Medien unterstrichen
wird, ein Zugeständnis an den Volkszorn gegen die Eliten, wie er namentlich
mit dem Aufstand der Gelbwesten manifest war.
Sie liefert Macron zudem eine Möglichkeit, mit geringen politischen Kosten
noch vor dem Ende seines Mandats eine sehr populäre Reform durchzuführen
und damit in Hinblick auf eine eventuelle Wiederwahl zu beweisen, dass er
weiterhin das Land und dessen Bürokratie modernisieren will. Er muss dabei
aber mit dem hartnäckigen korporatistischen Widerstand der „Énarques“
rechnen, an dem bereits die Reformversuche von Nicolas Sarkozy und François
Hollande gescheitert waren.
Die Umfragen und die ersten, fast durchwegs positiven Reaktionen können
Macron eher ermuntern. Selbst die frühere ENA-Direktorin Nathalie Loiseau,
die heute für Macrons Bewegung En marche im Europaparlament sitzt, ermutigt
den französischen Staatschef „diesem Ameisenhaufen einen tüchtigen Tritt zu
versetzen“.
12 Apr 2021
## LINKS
[1] https://www.ena.fr/
[2] /Praesidentschaftswahl-in-Frankreich/!5387743
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Hochschule
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Völkermord in Ruanda: Schwarzbuch Frankreich
Wie tief war Frankreich in den Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 verstrickt?
Eine Kommission enthüllt das Ausmaß der Kumpanei.
Le Pen, AfD und Verfassungsschutz: Von Frankreich lernen?
In unserem Nachbarland hat sich der Rechtsextremismus verfestigt. Medien
und Politik haben ihn zu lange banalisiert.
Klimaschutz in die Verfassung: Frankreich macht ersten Schritt
Ein französischer Bürger:innenkonvent schlug vor: Der Kampf gegen den
Klimawandel soll in die Verfassung. Nun stimmte die Nationalversammlung
dafür.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.