| # taz.de -- Kölner Breitensportklub SC Janus: Als Sport offen queer wurde | |
| > Der SC Janus, der kürzlich 40-jähriges Bestehen feierte, ist der größte | |
| > und älteste queere Sportklub Europas. Er veränderte den Sport und sich | |
| > selbst. | |
| Bild: Damals fast ein reiner Männerladen: das erste Volleyball-Turnier 1986 | |
| Der Teilhabekampf begann mit einem doppelten Gesicht. Sie nannten den Klub | |
| im Jahr 1980 Janus, wie den römischen Gott, der zwei Gesichter hat – ein | |
| versteckter Hinweis auf die Homosexualität der VolleyballerInnen, die ihn | |
| gründeten. Ganz offen zu sein war damals noch nicht vorstellbar. „Um den | |
| Verein herum wurde mehr gemunkelt“, sagt Andrea Löwe, seit 2017 Vorsitzende | |
| des SC Janus, die die alten Geschichten auch nur aus Erzählungen kennt. | |
| Der SC Janus [1][ist der älteste und größte queere Sportklub Europas]. Kein | |
| Zufall, dass die Gründung damals geschah. 1968 und Stonewall, die | |
| Frauenbewegung und Queen, „es ging ein Ruck durch die Gesellschaft“, | |
| erzählt Löwes Kollegin, die Diversity-Beauftragte Maria Engels. Die erste | |
| Gründungswelle queerer Sportklubs folgt in Westdeutschland in den achtziger | |
| Jahren. Es geht erst mal darum, sich selbst und anderen zu zeigen, dass | |
| Schwule erfolgreich Sport treiben können. Aber auch wie heute um | |
| diskriminierungsfreie Orte und um Gemeinschaft. | |
| „Es ist mehr als nur Sport bei uns. Nicht nur ein geschützter Raum, sondern | |
| auch Familienersatz, Freizeitaktivität. Wir treffen uns, machen | |
| Spieleabende, Gaming-Abende, gehen zusammen feiern. Man ist im Leben der | |
| anderen mit drin“, sagt Engels. Den Zusammenhalt findet sie intensiver als | |
| in heteronormativen Vereinen. „Wir gehen anders miteinander um, mit mehr | |
| Respekt und Humor. Wir leben auch die klischeehaften Rollenbilder nicht in | |
| dieser Form aus.“ | |
| Alles Gründe vielleicht, warum die Gründungen weitergehen. [2][Laut der | |
| BundesNetzwerkTagung 2018] gibt es in Deutschland über 70 queere Vereine | |
| und Sportgruppen. Sie haben in mancher Hinsicht die Sorgen vieler | |
| Breitensportvereine: Infolge der Pandemie sind beim Janus von den 1.600 | |
| Mitgliedern fast 300 ausgetreten, und es ist immer schwer, Leute für Ämter | |
| zu finden. Aber der SC Janus ist auch enorm gewachsen, normalerweise hat er | |
| 90 Sportangebote pro Woche. | |
| ## Kollektives Coming-Out | |
| In den Achtzigern endete das Verstecken, die SportlerInnen organisierten | |
| ein kollektives Coming-out als Verein. „Unser Verein hat immer ein Stück | |
| weit Aufklärung als Ziel gehabt“, sagt Andrea Löwe. Was ihn damals bewegt, | |
| was ihn heute bewegt, sagt durchaus etwas über Veränderungen der | |
| Gesellschaft. Heute sind die Vereine, die sich einst „schwul-lesbisch“ | |
| nannten, „queer“ und stärker gezwungen oder bereit, sich auch | |
| selbstkritisch mit Ausschlüssen und Inklusion zu beschäftigen. Mit dem | |
| Thema Trans zum Beispiel. | |
| Obwohl viele Angebote bei Janus von allen Mitgliedern gemeinsam | |
| wahrgenommen werden – interessanterweise funktioniert das, trotz | |
| körperlicher Unterschiede –, gibt es auch Angebote nur für Frauen. „Wenn | |
| wir anfangen, transinklusiv zu werden, könnte es passieren, dass Frauen | |
| sagen: Wir möchten keine Transfrau dabeihaben, weil sie körperlich noch | |
| nicht so weit ist“, ahnt Engels. | |
| Im Fußball habe es mal Streit wegen einer Transfrau gegeben, weil sie | |
| körperlich überlegen war. Debatten kommen auch hier an. Bisher sei der | |
| Anteil der Transpersonen relativ gering. Engels möchte das vorantreiben, | |
| „es sind riesige Potenziale da“. Und sie ist sich bewusst: Es brauche | |
| geeignete Umkleiden und Workshops, TrainerInnen und Vorstand müssten | |
| sensibilisiert werden. All das kostet. | |
| ## Auch Ausweis eines Problems | |
| Geschützte Räume wie der SC Janus bedeuten aber auch, dass man sich unter | |
| Ähnliche zurückzieht, an kleine Lagerfeuer. Muss es sie geben, wird es sie | |
| immer geben? Die Vorsitzende Andrea Löwe findet: „Es geht um einen | |
| geschützten Raum, wo ich mich nicht erklären muss. Ich kann einfach eine | |
| Zeit lang alles ablegen. Es ist auch wichtig, FürsprecherInnen zu haben. | |
| Der Rechtsruck betrifft Queere und Trans auch.“ Löwe, die auch | |
| Kampfsporttrainerin ist, berichtet, in jedem Selbstverteidigungskurs habe | |
| sie Menschen mit Gewalterfahrungen und Traumata. „Verbale Gewalt ist da | |
| noch das Harmloseste.“ Es brauche Schutzräume, solange es Label gebe. Die | |
| Klubs bleiben eben auch Ausweis eines Problems. | |
| Zugleich erreichen ihre Impulse breitere Gruppen. VertreterInnen des SC | |
| Janus sitzen heute in vielen Kölner Gremien und Verbänden, seit drei Jahren | |
| auch in der Regenbogenabteilung des DOSB. Von der Stadt Köln werden | |
| SportlerInnen, die bei den Gay Games Medaillen holten, heute | |
| gleichberechtigt mit WeltmeisterInnen geehrt. „Das ist eine große | |
| Aufwertung“, sagt Löwe. Der Frauenanteil des einst überwiegenden | |
| Männervereins liegt bei 40 Prozent, im Vorstand sind Frauen sogar deutlich | |
| in der Mehrheit. | |
| Das ist pragmatisch frei geregelt: „Bei einer starren Quote würden wir | |
| einfach Ämter nicht besetzt kriegen.“ Löwe findet es ohne Quoten aber auch | |
| ganz gut. „Wir definieren uns als Menschen. Deshalb ist es vielleicht sogar | |
| besser, dass wir keine Stigmatisierung haben.“ Auch das ein Vorbild. Neben | |
| den [3][Gay Games 2010, die in Köln ausgerichtet wurden], nennt Löwe als | |
| wichtigsten Erfolg des Vereins aber nicht den sportlichen, sondern den | |
| menschlichen: Akzeptanz, Vielfalt, Sichtbarkeit. | |
| 9 Apr 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sc-janus.de/verein/geschichte/ | |
| [2] https://www.researchgate.net/publication/332446146_OUTSPORT_-_Die_erste_eur… | |
| [3] /Olympiade-der-Schwulen-und-Lesben/!5138585 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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| Kolumne Unisex | |
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