# taz.de -- Bulgarien nach der Parlamentswahl: Borissow schmollt | |
> Der Noch-Premier verzichtet auf sein Parlamentsmandat. Das könnte mit der | |
> bevorstehenden schwierigen Regierungsbildung zu tun haben. | |
Bild: Keine Lust aufs Parlament: Bulgariens Noch-Premier Bojko Borissow verzich… | |
BERLIN taz | Spielt da jemand die beleidigte Leberwurst? Am Donnerstag | |
kündigte der bulgarische Regierungschef Bojko Borissow an, auf sein | |
Parlamentsmandat verzichten zu wollen. Eine entsprechende Erklärung habe er | |
der Zentralen Wahlkommission zukommen lassen, sagte Borissow am Donnerstag. | |
Eine Erklärung für seinen Schritt blieb der 61jährige schuldig, konnte sich | |
jedoch gewisse Seitenhiebe nicht verkneifen. Als Premierminister habe er | |
keine Immunität gehabt und jetzt brauche er sie nicht mehr. Einige seiner | |
Opponent*innen hätten von einem „GERB-Erdrutsch“ gesprochen, doch seine | |
Partei habe immerhin in 24 von 31 Regionen gewonnen. Sie hingegen nur in | |
drei, zwei und einer. Dennoch hätten bestimmte Beleidigungen von dieser | |
Seite verfangen, sagte er. | |
Aus der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag war Borissows konservative | |
Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) [1][m… | |
knapp 26 Prozent der Stimmen als Siegerin hervor gegangen]. Jedoch war ihm | |
sein bisheriger Koalitionspartner, die nationalistische VRMO, abhanden | |
gekommen. Sie scheiterte an der Vierprozenthürde. | |
Demgegenüber hatten mehrere Protestparteien den Einzug in die | |
Volksversammlung geschafft – darunter die erst 2020 gründete | |
Anti-Establishment-Gruppierung „Ima takyw narod“ (So ein Volk gibt es) des | |
[2][Musikers und Showmasters Stanislaw („Slavi“) Trifonow]. Sie erreichte | |
mit knapp über 17 Prozent der Stimmen auf Anhieb den zweiten Platz. | |
## Schwierige Koalitionsverhandlungen | |
Trotz des Sieges von Borissow hatten Expert*innen bereits am Wahlabend | |
schwierige Koalitionsverhandlungen prognostiziert und von Neuwahlen als | |
möglichem Szenario gesprochen. Borissow hatte kurz darauf darauf eine | |
Expertenregierung ins Spiel gebracht – ein erstaunlicher Sinneswandel. Noch | |
im Sommer, als zehntausende Bulgar*innen wochenlang gegen Korruption und | |
Vetternwirtschaft bis in höchste Regierungskreise auf die Straße gingen, | |
hatte er diese Option kategorisch abgelehnt. | |
Dem Vorschlag eines Spezialistenkabinetts folgte am Mittwoch morgen ein | |
Appell Borissows an die Partei von Slawi Trifonow, das Mandat für eine | |
Regierungsbildung zu akzeptieren und damit politische Verantwortung zu | |
übernehmen. In diesem Fall würden zehn Abgeordnete von GERB die Koalition | |
unterstützen. | |
Nur Stunden später hieß es aus den Reihen der GERB, man werde anstatt | |
Borissow einen anderen Kandidaten für das Amt des Premiers vorschlagen. | |
Sollte der keine Regierung zustande bringen, sei die GERB bereit, Trifonow | |
zu unterstützen. | |
Der bulgarische Soziologe Tzvetosar Tomow, der bereits vor mehreren Tagen | |
einen Abgesang auf das Ende von Borissows poliltischer Karriere angestimmt | |
hatte, bezeichnete dessen Mandatsverzicht gegenüber den Wähler*innen, der | |
Zentralen Wahlkommission sowie die Gesetzen als „schlechten Scherz“. | |
Schließlich sei es nicht die Wahlkommission, die einen Kandidatin wähle, | |
sondern das Volk. Das Ansinnen Borissows bringe die die Kommission jedoch | |
in die Verlegenheit, eine ungesetzliche Entscheidung zu treffen, zitiert | |
das bulgarische Nachrichtenportal mediapool.bg den Soziologen Tomow. Damit | |
werde Wahlbetrug legitimiert. | |
8 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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