# taz.de -- Reisebuch „Die sieben Farben der Nacht“: Befreiendes Lachen | |
> Der Reiseführer „Die sieben Farben der Nacht“ führt durch Marokko, nah … | |
> Jazz und der Trance. Es ist eine Begegnung mit dem Unbekannten. | |
Bild: Sehnsuchtsort des Autors: Essaouira, weiße Stadt am Meer | |
Èntîna almâni? Hast Du Glück!“, sagt der Taxifahrer, als er mit Andreas | |
Kirchgässner Ouarzazate [1][im südlichen Marokko] verlässt. „Nur weil ich | |
Deutscher bin, habe ich Glück?“ – „Weil du reisen kannst!“ Und | |
glücklicherweise reist Kirchgässner nicht nur, sondern er schreibt seine | |
Reiseerlebnisse auf. Beispielsweise seine spannenden literarischen | |
Reportagen von Orten und Menschen in Marokko, die in seinem Buch „Die | |
sieben Farben der Nacht“ veröffentlicht sind. | |
Die 14 Reportagen führen uns von der Atlantikküste bei Agadir nach Osten in | |
Oasendörfer am Rande der Wüste, von da über die Berge in die Stadt der | |
Städte: Marrakesch. Und dann endlich das Ziel seiner Reisen, der | |
Sehnsuchtsort Essaouira. | |
Die Hälfte der Reportagen und fast zwei Drittel des Buches spielen in der | |
weißen Stadt am Meer. Hier besucht er das traditionelle Musikfestival, | |
feiert, diskutiert, verhandelt und trinkt mit Musikern und richtet | |
letztlich selbst eine lila, eine Trancenacht mit Gnawa-Musik aus. | |
Sehr persönlich sind seine Geschichten, schmerzlich und peinlich manche, | |
warmherzig und komisch andere. „Die Reise von der gewohnten in die fremde | |
Welt öffnet uns Zugänge zu unserer eigenen Nachtseite“, resümiert der | |
Autor. Kirchgässners Reiseführerin ist die Musik, und so lautet der | |
Auftakt: „Marokko hätte nie eine solche Bedeutung für mich gewonnen, wäre | |
ich nicht dieser Musik begegnet: Gnawa-Musik, so nah am Jazz, am Blues, | |
zart, gebrochen, melancholisch und zugleich archaisch, dann wieder laut, | |
rasselnd und wild.“ | |
Aber nicht nur Ton und Klang faszinieren ihn und berühren sein Herz: „Gnawa | |
ist zugleich Trancemusik, die in Marokko zu nächtlichen Heilungszeremonien | |
gespielt wird. (…) In diesen Nächten werden die Mlouk aufgerufen, | |
Geistwesen, Dämonen, Verführer, mit denen die ‚Patienten‘ der Gnawa sich | |
gut stellen müssen.“ | |
Kirchgässner spürt der Musik und den Mlouk nach, erkundet deren Bedeutung | |
im Alltag der Menschen und wird selbst so von der spirituellen Seite dieser | |
westafrikanischen Kultur gepackt, dass er am Ende feststellt: „Auch wenn | |
ich zu Anfang noch wenige Vorstellungen davon hatte, was die Mlouk wohl | |
sein mögen, spürte ich doch deutlich, dass ich eine Reise in eine fremde | |
Welt würde antreten müssen.“ | |
Seine Beweggründe: „Wie nichts anderes auf der Welt bringt die Begegnung | |
mit dem Fremden meine Gewohnheiten, mein Selbstbild, meine Strategien | |
durcheinander. (…) Die Begegnung verschiebt meine Koordinaten, klärt meinen | |
Blick und lässt mich mit einem befreienden Lachen zurück: nicht über die | |
Fremden, sondern über mich selbst.“ | |
23 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Karl-Heinz Behr | |
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