# taz.de -- Linke Kritik an den Grünen: Machen statt mosern | |
> Die Grünen sind die Grünen – und nicht erst jetzt Establishment. Trotzdem | |
> messen sie manche Linke an linken Ansprüchen. | |
Bild: Annalena Baerbock und Joe Kaeser beim Grünen-Wirtschaftskongress | |
Während die FAZ die Grünen schon zielorientiert auf ihre | |
[1][Marktwirtschaftskompatibilität überprüft] und dabei baerbocklobende | |
Worte vom Verband der Familienunternehmer und Joe Kaeser, dem früheren | |
Siemens-Vorstandsvorsitzenden, zitiert, können manche Linke einfach nicht | |
von der guten alten Gewohnheit ablassen, sie für eine linke Partei zu | |
halten und sie dementsprechend an linken Ansprüchen zu messen. | |
Nicht nur der [2][Deutschlandfunk] wundert sich über die nicht | |
basisdemokratische Lösung der K-Frage, auch [3][linke Publikationen] | |
arbeiten sich an den Grünen und Baerbock ab, als wäre die Partei gerade | |
erst gegründet worden. So heißt es in einem Artikel der | |
Jacobin-Chefredakteurin Ines Schwerdtner, dass die Unterschiede zwischen | |
Baerbock und Laschet „in den allgemeinen Fragen der ‚sozialen | |
Marktwirtschaft‘ und der zukünftigen Klima- und Industriepolitik nicht | |
wahnsinnig groß“ seien. | |
Dabei ist der vom hessisch-grünen Wirtschafts- und Verkehrsminister | |
[4][Tarek Al-Wazir überlieferte Satz], nämlich dass die Zeit der Banner | |
vorbei sei, längst nicht mehr das einzige Indiz, dass die Grünen sich | |
mehrheitlich nicht am Berliner (Mietendeckel), sondern am hessischen | |
(Dannenröder Forst) und baden-württembergischen Modell orientieren. | |
Deshalb ist die Feststellung, die Peter Unfried in dieser Zeitung gemacht | |
hat, auch die einzig realistische, an der sich linke Politik gegenüber den | |
Grünen orientieren sollte, nämlich dass die Grünen [5][„keine ‚alternati… | |
Partei] für emanzipatorische Minderheiten, sondern das neue Zentrum der | |
bundesrepublikanischen Gesellschaft“ sein wollten. | |
## Grüne wollen nicht umverteilen | |
Konkret würde das einerseits bedeuten anzuerkennen, dass die Grünen nicht | |
die FDP sind und Annalena Baerbock nicht Friedrich Merz ist, statt sich in | |
ewiger Greenwashing-Kritik zu verlieren. | |
Andererseits würde dieser differenzierende Blick ermöglichen, im | |
Parteipolitischen realistisch an Strategien zu arbeiten, um soziale | |
Verbesserungen durchzusetzen, etwa in einer grün-rot-roten statt | |
schwarz-grünen Regierung (Hartz IV wirklich abschaffen, richtige | |
Erbschaftssteuer, höherer Mindestlohn, bessere Arbeitsbedingungen für | |
Pflegekräfte etc.). | |
Die Grünen mögen zwar eine kleine Hartz-IV-Reform und eine kleine | |
Vermögenssteuer [6][in ihr Wahlprogramm] geschrieben haben. Aber das haben | |
sie natürlich nicht getan, weil sie wirklich umverteilen wollen. Was sie | |
wollen, ist, in die Regierung kommen und ja keine Verbotspartei sein. Sie | |
haben das getan, weil sie sich halt irgendwie zum Sozialen äußern müssen, | |
in einer Pandemie, in der die sozialen Verwerfungen immer offener zutage | |
treten. Hier aber könnte man als Linke ansetzen, sie politisch unter Druck | |
setzen. | |
Dass das Politische sich nicht darauf beschränkt und der Kapitalismus sich | |
nicht im Bundestag abschaffen lässt, das ist eigentlich zu banal, um | |
niedergeschrieben zu werden. Ich tue es aber trotzdem, um sicherzugehen. | |
23 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kanzlerkandidatur-der-gruenen-mit-ei… | |
[2] https://www.deutschlandfunk.de/politikwissenschaftler-in-der-inszenierungsk… | |
[3] https://jacobin.de/artikel/annalena-baerbock-armin-laschet-kanzlerkandidatu… | |
[4] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/geplante-rodung-des-dannenroeder… | |
[5] /Gruene-Kanzlerkandidatin-Baerbock/!5767020 | |
[6] https://cms.gruene.de/uploads/documents/2021_Wahlprogrammentwurf.pdf | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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