# taz.de -- Nachspiel zur Rummelsburger Bucht: Mit zynischem Kalkül | |
> Es gab keine geheimen Deals. Doch nach Räumung des Camps an der | |
> Rummelsburger Bucht bleiben nach Einsicht in offiziellen Schriftverkehr | |
> Fragen. | |
Bild: Das Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht wurde Anfang Februar denn… | |
Kleiner Rückblick auf Anfang Februar: Die kälteste Woche des Winters steht | |
bevor, die Temperaturen sinken weit in den Minusbereich und massiver | |
Schneefall kündigt sich an. In einer überraschenden Hauruckaktion | |
beschließt der Bezirk Lichtenberg, das Obdachlosencamp an der Rummelsburger | |
Bucht zu evakuieren. Die nächtliche Evakuierung bedeutete gleichzeitig das | |
Ende des Camps, indem geschätzt hundert Menschen wohnten. Schon am nächsten | |
Tag rückten die Bagger an, um das Camp dem Erdboden gleichzumachen. Hat der | |
Bezirk Lichtenberg auf Drängen der Eigentümerin Coral World, die auf dem | |
Grundstück ein Aquarium errichten will, das Camp geräumt? | |
Der zuständige Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Soziales, Kevin | |
Hönicke, verneint vehement, dass es im Vorfeld der Räumung Deals oder | |
geheime Absprachen mit Coral World gegeben hätte. Auch bekräftigt er, dass | |
es sich nicht um eine Räumung, sondern lediglich um eine Evakuierung des | |
Geländes gehandelt habe. Für die Räumung, wie Hönicke immer wieder betonte, | |
war allein die Grundstückseigentümerin Coral World verantwortlich. | |
Um die Vorwürfe zu entkräften, hat Hönicke einen Teil des offiziellen | |
Schriftverkehrs auf Anfrage der taz in dieser Woche zukommen lassen. Auch | |
wenn Einsicht in die Akten weitere Erkenntnisse bringen könnte, ist es | |
wahrscheinlich, dass er recht behalten könnte: Keine geheimen Deals. Und | |
aus rein rechtlicher Sicht war die Evakuierung keine Räumung. | |
Doch die Dokumente zeigen auch, mit welch zynischem Kalkül die Entscheidung | |
zustande kam. Nur wenige Wochen zuvor forderte Coral World den Bezirk auf, | |
die Fläche zu räumen. Hönicke muss also bewusst gewesen sein, dass eine | |
Evakuierung auch das Ende des Camps bedeuten würde. Der Bezirksstadtrat | |
selbst forderte Coral World am Morgen nach der Evakuierung dazu auf, einen | |
Bauantrag zu stellen und zu verhindern, dass wieder Menschen auf das | |
Gelände kommen. | |
## Bezirk fürchtete womöglich unschönen Bilder | |
Dass das Camp irgendwann geräumt werden musste, war auch den | |
Bewohner*innen klar. Die meisten hätten sich sicherlich neue Orte | |
gesucht, hätte man ihnen rechtzeitig Bescheid gesagt. Doch der Bezirk | |
fürchtete womöglich die unschönen Bilder, die entstanden wären, hätte man | |
mit Polizeigewalt Obdachlose für den Bau einer sinnlosen | |
Touristenattraktion wegprügeln müssen. | |
Der Wintereinbruch war hingegen ein willkommener Anlass, eben weil er nicht | |
nur ein vorgeschobener Grund war, sondern eine reale Gefahr darstellte: ein | |
Feuer oder massive Schneemassen hätten verheerend in dem Camp sein können. | |
So konnte sich der Bezirk am Ende noch als Wohltäter präsentieren. | |
Die großen Verlierer:innen dieses Spiels sind die ehemaligen | |
Bewohner:innen. Kaum einer von ihnen wurde rechtzeitig informiert, viele | |
erfuhren erst nachts von der Räumung, als sie von der Polizei nicht mehr | |
auf das Gelände gelassen wurden. Etliche verloren nicht nur ihr Zuhause, | |
sondern auch das wenige an Eigentum, was sie über die Jahre im Schutze des | |
Camps zusammensammeln konnten: Zelte, Planen, Isomatten, Gaskocher und | |
persönliche Erinnerungsstücke. Verantwortung dafür übernommen hat der | |
Bezirk bis heute nicht. | |
10 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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