| # taz.de -- Politische Gefangene in Belarus: Das Alter ist egal | |
| > Mehrere Minderjährige widerrechtlich im Gefängnis. Olga Deksnis erzählt | |
| > von stürmischen Zeit in Minsk. Folge 80. | |
| Bild: Wut und Trauer über inhaftierte Jugendliche | |
| Per 30. April 2021 waren in Belarus 360 Personen als politische | |
| [1][Gefangene] anerkannt. Unter ihnen sind Aktivist*innen der Stäbe der | |
| Präsidentschaftskandidat*innen, Blogger*innen, Teilnehmer*innen an | |
| Protestaktionen, Geschäftsleute und andere Kritiker*innen der | |
| belarussischen Staatsmacht. | |
| Aber es gibt auch noch eine „besondere“ Gruppe Inhaftierter – Minderjähr… | |
| unter 18 Jahren. Sie werden vor allem der Teilnahme an Massenaktionen am | |
| 10. August beschuldigt (einen Tag nach der Präsidentenwahl). Derzeit sind | |
| sechs Jungen hinter Gittern, die wegen Straftatbeständen angeklagt sind. | |
| Wenn man alle Haftstrafen zusammen zählt, ergibt das für alle 15 Jahre | |
| Freiheitsentzug. Warum sitzen sie ein? | |
| Der 16-jährige Dmitri Strischak aus der Kleinstadt Dobrusch hat einen | |
| Telegramm-Kanal namens „Daten von Bestrafern in Belarus“ gegründet. Auf | |
| diesem Kanal veröffentlichte der junge Mann „Daten von Millizionären“. Die | |
| Beschreibung des Kanals lautet wie folgt: „Wir tragen Informationen über | |
| Menschen zusammen, die friedliche Demonstrant*innen zusammen schlagen.“ | |
| Namen und Adressen hatte er in ähnlichen Veröffentlichungen gefunden. Als | |
| er festgenommen wurde, war Dmitri 15 Jahre alt. Sie konnten ihn nicht | |
| sofort verurteilen, weil das erst ab einem Alter von 16 Jahren möglich ist. | |
| Die Überprüfung bezog sich auf vier Artikel: Verleumdung, im Zusammenhang | |
| damit öffentliche Beleidigung von Vertreter*innen der Staatsmacht sowie | |
| illegale Sammlung oder Verbreitung von Informationen über die Privatsphäre | |
| und Betrug. Dima bekam zwei Jahre, die er in einer speziellen | |
| Erziehungsanstalt absitzt. Freigang gibt es keinen. | |
| Der 16-jährige Nikita Solotorew wurde zu fünf Jahren Erziehungslager | |
| verurteilt, da er bei einer Protestaktion einen Angehörigen der | |
| OMON-Sicherheitskräfte mit einem Molotowcocktail attackiert haben soll. Die | |
| Granate sollte eine andere Person gebastelt haben, sie geworfen haben soll | |
| jedoch Nikita. Übrigens: Die Flasche fiel auf den Boden, verletzt wurde | |
| niemand. Der junge Mann leidet unter Epilepsie und erzählt seinen Eltern, | |
| dass er in der Untersuchungshaft geschlagen werde. Ermittler*innen | |
| überprüften das, konnten aber keine Verstöße feststellen. | |
| Der 17-jährige Witali Prochorow aus Schlobin bekam zwei Jahre | |
| Erziehungslager. Er soll einen Stein in Richtung eines gepanzerten | |
| Mannschaftswagens des OMON geworfen haben. Er hat sich nicht schuldig | |
| bekannt. Überhaupt: Er wurde erst anderthalb Jahre nach dem Vorfall | |
| festgenommen und auf der Grundlage zweier Artikel angeklagt: Gewalt | |
| gegenüber Milizionären und Organisation von Unruhen. Seine Eltern sagen, | |
| dass Witali bei seiner Festnahme massiv geschlagen worden sei. | |
| Darüber hinaus sitzen drei weitere Minderjährige in Gefängnissen ein – | |
| wegen des „Brester Falls“, das heißt der Teilnahme an Protesten. Davon sind | |
| neun Personen betroffen – sie werden in Gruppen abgeurteilt, nicht alle auf | |
| einmal. Die Opfer sind 29 Millizionäre. Sie behaupten, dass die | |
| Protestierenden mit Steinen nach ihnen geworfen hätten. Die | |
| Demonstrant*innen hingegen behaupten, dass die OMON-Truppen und die | |
| Millizionäre auf sie geschossen hätten. | |
| Die Repressionen in Belarus gehen weiter. In der vergangenen Woche wurde | |
| der Direktor der unabhängigen Zeitung Intex-press, Wladimir Janukewitsch, | |
| wegen eines Interviews mit [2][Swetlana Tichanowskaja] | |
| (Oppositionspolitikerin und Kandidatin bei der Präsidentenwahl 2021 in | |
| Belarus, Anm. d. Red.) zu einer Geldstrafe von umgerechnet 190 Euro | |
| verurteilt. Der Zeitung wurden für die zweite Jahreshälfte die Abonnments | |
| entzogen (sie sind die Haupteinnahmequelle). Gegen den Direktor wurde unter | |
| anderem ein Strafverfahren eingeleitet. | |
| Sowohl die Internet- als auch die Papierausgabe der Zeitung mit dem | |
| Tichanowskaja-Interview wurde auf der Seite des belarussischen | |
| Informationsministeriums in die „landesweite Liste extremistischer | |
| Materialien“ aufgenommen. Was wird aus der Zeitung? Das ist unklar. Doch | |
| der Direktor hat sich an die Leser*innen gewandt mit der Bitte um eine | |
| mögliche Unterstützung gewandt – die Zeitung zu kaufen und sie zu | |
| verteilen! | |
| Noch etwas: Alles oben Gesagte macht eins deutlich: Jede/r kann in | |
| Gewahrsam genommen werden und das jeden Augenblick. | |
| Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
| 6 May 2021 | |
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