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# taz.de -- Partnerschaft und Geschenke: Liebe im Alter
> In der Andropause kann man nicht wählerisch sein. Und plötzlich sah sich
> unser Autor ausgewählt, ja, weit über Niveau beschenkt.
Bild: Berliner Nebelkrähe – glücklicherweise in einer Regenpfütze
Wir stehen an der Supermarktkasse vor der Quengelware für alte, weiße
Männer: Kaminwurzerl, Chiliwurzerl – kleine harte Würstchen aus Österreich.
„Kann ich das haben?“, [1][frage ich meine Frau] und zupfe sie am Ärmel,
als sie nicht reagiert. „Bitte!“ Ich schreie nun fast. Die Leute drehen
sich zu uns um. Das ist mir egal. Mit Würde habe ich es schon lange nicht
mehr.
So denke ich jedes Mal, wenn in Spielfilmen eine Person einer anderen Geld
anbietet, und dabei wird den Zuschauern suggeriert, es wäre in dem
dargestellten Kontext vollkommen würdelos, das Geld anzunehmen (was dann ja
auch stets dramatisch zurückgewiesen wird): Also ich hätte es
selbstverständlich angenommen.
[2][In der Andropause kann man schließlich nicht mehr wählerisch sein.]
Gebe ich im Internet meine persönlichen Daten ein, muss ich beim
Geburtsjahr mittlerweile so weit nach unten scrollen, dass ich davon eine
Sehnenscheidenentzündung kriege.
Anschließend kann ich kaum noch die Zahnbürste halten. Im Grunde bräuchte
ich ohnehin so einen komischen Krokodilsvogel, der mir immer in den
Zahnzwischenräumen rumhackt, und wenn mal wieder der Pansen schreit, kann
ich nur noch beten: „Komm Herr Jesus, sei Iberogast, und segne, was du uns
bescheret hast.“
## Superschnäppchen im Lebensschlussverkauf
Das treffendste Bild für die Lebensphase, in der ich mich befinde, wäre
eigentlich eine Nebelkrähe, die im wintergrauen Park in einer ergiebigen
Kotzlache herumpickt. Wäre, hätte ich nicht unerwartetes Glück gehabt, und
zwar in Person jener holden und ehrbaren Wahnsinnstante, die es mir gelang
nach Jahrzehnten so entbehrungsreicher wie vergeblicher Anbetung doch noch
kurz vor Ultimo zu ehelichen – „das Superschnäppchen im
Lebensschlussverkauf“, scherzt mein Urologe Zbigniew gern über diese Volte
meines Lebenswegs.
Ich sah mich weit über Niveau beschenkt. Ähnlich musste sich Darmstadt 98
gefühlt haben, als die 2015 in die erste Fußballbundesliga aufstiegen und
dann sogar noch einmal die Klasse hielten. Sie zog mich aus der Gosse,
säuberte und herzte mich. Dann gingen wir zum Einkaufen.
Seitdem ist alles schön. Der Stuhl ist hart, das Gemüt ist weich – so soll
es sein. Wir sind wie good cop und best cop. Doch mein Leben war nicht
immer so. Mit besonderem Grauen erinnere ich mich zum Beispiel an die lange
On-Off-Affäre mit Irina Workuta, meiner Russischlehrerin an der VHS. Es war
entsetzlich. Wir liebten und wir schlugen uns. Am Ende kam die Polizei und
trug uns beide in verschiedene Richtungen fort. Ich habe sie nie wieder
gesehen.
Zurück im Supermarkt. Meine liebe Frau streicht mir gurrend übers Köpfchen,
während ich meine Wurst esse. Natürlich habe ich sie bekommen. Sie kann mir
doch nie ernstlich etwas abschlagen.
29 Mar 2021
## LINKS
[1] /Sexismus-und-das-Aufhalten-von-Tueren/!5749434
[2] /Beweglichkeit-aelterer-Herren/!5736210
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Andropause
Mann
Frau
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